Was deine Sucht dir sagen will - Wie Männer alte Muster durchbrechen

26. Sept. 2025

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Darum geht es

Viele Männer glauben, sie hätten ihr Verhalten unter Kontrolle. Doch was, wenn deine Sucht – egal ob Alkohol, Social Media, Pornografie oder Arbeit – nur ein Symptom ist? Ein Versuch, innere Leere, Schmerz oder alte Verletzungen nicht fühlen zu müssen? In dieser Folge schauen wir gemeinsam mit Axel Roger Schmidt auf die wahren Ursachen von Sucht: 🔸 die Verbindung zwischen frühem Mangel und späterer Kompensation 🔸 die gesellschaftliche Normalisierung von Betäubung 🔸 der Unterschied zwischen echtem Genuss und Abhängigkeit 🔸 und die tiefere Frage: Was suche ich eigentlich wirklich? Daniel teilt offen seine eigene Geschichte mit jahrelanger Pornosucht – und was ihm wirklich geholfen hat, frei zu werden. Wenn du bereit bist, dich nicht länger zu betäuben, sondern dich dir selbst zu stellen, dann ist diese Folge ein kraftvoller erster Schritt. Männersucht, Suchtverhalten, Abhängigkeit, innere Leere, Heilung, Pornografiekonsum, Männercoaching, Männerkreis, Dopamin-Detox, emotionale Verletzungen, Mutterwunde, Kompensation, Männerentwicklung, Selbstverantwortung, Schattenarbeit, Männerpodcast, Initiation, Bindungsmuster, Transformation, Männerarbeit

Transkript

Daniel

Sucht ist ein Wort, das wir alle kennen, aber kaum einer versteht, wie tief sie unser Leben prägen kann. Es geht nicht nur um Alkohol, Drogen oder Pornografie. Uns geht es heute darum, das Muster dahinter zu erkennen, die Flucht vor Schmerz, der Leere oder Orientierungslosigkeit.

Jeder Mann kennt in irgendeiner Form diese Bindung an etwas, das ihm kurzfristig Halt gibt, aber ihn langfristig schwächt. In dieser Folge wollen wir schauen, was bedeutet Sucht wirklich? Was steckt wie immer gesellschaftlich, existenziell und Aschaich dahinter?

Und wie finden wir den Weg raus? Axel lacht schon. Hallo Axel, schön, dass du da bist.

Wir schauen mal zuerst auf die gesellschaftliche Ebene. Warum leben wir in einer Gesellschaft, in der Betäubung normal geworden ist?

Axel

Was heißt Normalität in dem Kontext? Ich würde sagen, wir sind eine Gesellschaft geworden, die doch sehr konsumorientiert ist und die auch ganz persönliche Bedürfnisse versucht zu kompensieren. Eine Ebene läuft in vielen Fällen auch über Suchtstruktur, also wie sich eine Struktur entwickelt, die Sucht entwickelt.

Nun könnte ich auch so sagen, wir sind eine leistungsorientierte Gesellschaft, sodass vieles schon in der frühen Grundlage dessen überformt werden muss. Und wenn bestimmte innere Bedürfnisse nicht mehr so gefühlt werden oder erfüllt sich fühlen, fangen wir früher oder später an, nach Ersatzbefriedigung zu suchen. Viele haben ja immer noch das Bild, Sucht hat etwas mit Suche zu tun.

Und wenn man den Wortstamm von Sucht mal definiert, dann heißt das nämlich Sichtung. Also Sucht hat etwas mit Sichtung zu tun und im schlimmsten Fall ist das ja auch ein autoaggressiver Prozess gegen das eigene Menschsein. Das heißt, wir schaden, schädigen uns selbst.

Und die spannende Frage ist immer, was ist Inhalt der Sucht? Was will ich damit eigentlich so kompensieren? Nun gibt es ja in unserer Gesellschaft viele scheinbare legale Drogen.

Ich habe nochmal recherchiert, ich glaube, die größte nach wie vor ist Alkohol, dann Tabak, noch von den legalen Drogensubstanzen. Ja, und dann kann man sich ja fragen, in welcher Weise und in welchem Moment, in welchem Zustand, in welcher Lebensphase treffen vielleicht auch Männer oder auch Frauen auf diese Substanzen zurück. Und das finde ich eine ganz spannende Frage.

Also wo wird etwas gefüllt, wo will etwas gefüllt werden? Ich mag dieses Spannungsfeld. Etwas gefüllt werden, was sich in uns vielleicht leer anfühlt, sinnentleert, vielleicht auch nicht verbunden zu sein mit etwas.

Und dann scheint etwas so in uns doch immer wieder nachgreifen zu wollen, uns in einer bestimmten Weise auch in ein bestimmtes Leben zu bringen. Und da sind natürlich die ganzen Substanzen eine Möglichkeit.

Daniel

Ich stelle mir gerade die Frage, was das über uns als Gesellschaft aussagt, dass wir Konsum und Ablenkung kollektiv so hoch bewerten. Und dass es quasi der Konsum von allerlei, ob es nun Stimulanzen sind oder Pornografie oder Gaming, Social Media und so weiter, dass die Sucht als anerkanntes Ventil für Stress so gilt. Und dass die Leistungsfähigkeit der Menschen in diesem System ebenso hoch oder höher gilt als das leibliche Wohl oder die innere Klarheit oder was auch immer.

Wo siehst du denn Gründe dafür, dass wir aus diesem gesellschaftlichen Kontext oft so nicht ausbrechen können?

Axel

Naja, das hat sicherlich was mit unserer frühen prägenden Zeit zu tun. Also wenn man ja guckt, Sucht ist ja immer auch ein Mangelleben in uns, den wir ja über was auch immer versuchen zu befrieden. Und wenn ich jetzt vielleicht auch Menschen, mit denen ich arbeite, so schaue, wie häufig so Mangelthemen auf einmal so spürbar werden.

Und Mangel ist ja immer auch ein Ausdruck von etwas, was in uns sozusagen befriedet sein will. Das hat in vielen Fällen eine frühe Ursache. Man weiß um diese ganz frühe prägende Zeit, so alleine die Mutter-Kind-Beziehung, wenn das einigermaßen läuft, geht das.

Aber zum Beispiel allein, wenn ein Kind nicht gestillt wird. Man weiß ja auch diese orale Ersatzbefriedigung auf das Rauchen. Es sind häufig irgendwie immer noch so Indizien dafür, oder kann das sein, wie so eine orale Befriedigung, die nicht stattgefunden hat.

Da hat der Mutterbrust nämlich dann die Zigarette. Und über den Mutterbrust wäre ja so etwas vielleicht vermittelt worden, wie nicht nur diese Nahrung, die weltliche Nahrung, sondern auch diese Form von Rückbindung, sich geborgen zu fühlen, im Vertrauen zu sein, gehalten zu sein. Das sind ja alles menschliche Grundbedürfnisse.

Und wenn das natürlich nicht läuft, entsteht Mangel. Und das ist für viele Menschen früher oder später dann, wenn man so ein bisschen in die Biografie reinguckt, auch Ausdruck davon im späteren Suchtverhalten. Die sozusagen den inneren eigenen Mangel versuchen zu kompensieren.

Und dann gibt es ja ganz viele Möglichkeiten. Alles können wir zur Sucht nennen. Arbeitssucht, Sexsucht, Pornosucht.

Was gibt es noch? Jetzt Mediensucht, Sport, auch Spiritualität. Man kann alles irgendwie zur Sucht entstehen lassen.

Dann ist immer die Frage, man weiß ja auch, was so körperlich passiert mit dem Dopamin, was ja dann irgendwie ausgeschüttet wird. Das ist ja sozusagen etwas, wie ein Erfolgserleben geht, ein Belohnungserleben. Oder genau das, was in uns leer ist, wird über vermehrte Dopaminausschüttung vorgemacht.

Wir sind gehalten, wir stehen im Vertrauen und so weiter und so weiter. Aber das ist leider in der Tiefe, es ist ja nicht zu befrieden.

Daniel

Nicht über Drogen, nicht über diese Substanz. Ja, das war gerade eine sehr schöne Überleitung. Wir können ja mal auf die existenzielle Ebene jetzt blicken, die wird ein bisschen umfangreicher.

Wir müssen uns ja die Frage stellen, was sucht der Mann oder der Mensch denn eigentlich wirklich, wenn er konsumiert? Du hast gerade schon erwähnt, oft ist das ein kindliches Bedürfnis, das irgendwann mal nicht befriedet wurde. Und ich bin ein großer Fan von der Bindungstheorie, wo es ja diese drei Ebenen gibt.

Einerseits die Nahrung, was du auch schon gesagt hast, dieses Gefühl von Genährtsein, von Rückbindung, vielleicht auch das Stillen selbst. Dann der Kontakt, also Bindung, Kontakt zu meinen Bezugspersonen, über Anfassen oder auch über Mimik und Gestik. Und wir haben natürlich auch die dritte Ebene, die gemeinsame Bewegung, irgendwie eine Interaktion sein.

Spielen zum Beispiel oder Turnen, Klettern, was auch immer. Aschai, ich würde sagen, wäre das, dieses typische Kind sitzt auf der Brust und es spürt Bewegung, während der Stamm umherwandert. Das sind ja diese drei Ebenen und ich finde es erstaunlich, dass sich wirklich viele Süchter auf diese drei Ebenen auch aufteilen lassen.

Wenn wir diese Bewegungsebene haben, dann haben wir oft sowas wie Sportsucht oder wir haben auf der oralen Ebene, die du gerade schon angesprochen hast, oft diese Süchte wie Alkohol und alles, was mit Aufnahme von irgendwelchen Stoffen zu tun hat. Und bei Kontakt haben wir zum Beispiel Pornografie, die ja diese Kontaktebene irgendwie simuliert. Und ja, häufig ist es ja so, dass die Männer halt wirklich oder die Menschen, wir bleiben immer bei Männern, auch wenn du das immer wieder erwähnst.

Es geht prinzipiell um alle Menschen, aber wir machen ja hier einen Männerpodcast, oft schon in frühester Kindheit bemerken, ich habe jetzt gerade ein Bedürfnis und ich kann das auf den drei Ebenen halt nicht befrieden. Und dieses Muster setzt sich dann über die Jahre fort und irgendwann begegne ich einer Substanz oder einem Stoff oder irgendeinem Konsumgut, was mir diesen Mangel halt ersetzt. Und scheinbar ersetzt, genau.

Aber es funktioniert für viele Männer oft sehr gut, um sich von dieser Leere oder diesem Schmerz irgendwie abzulenken und diesen Schmerz nicht fühlen zu wollen oder zu müssen. Welche Leere oder welche Sehnsucht würdest du denn sagen, will der Konsument denn eigentlich stillen?

Axel

Das ist sicherlich sehr vielfältig, je nachdem auch, wie die Grundlage des Daseins oder des Ankommens irgendwie hier war oder welcher Mangel dich so am stärksten zeigt im Leben. Und gleichzeitig würde ich sagen, die tiefste Sehnsucht, die wir haben, ist die Verbundenheit mit uns selber. Dass wir gegründet sind in uns, dass wir uns wahrnehmen, dass wir Emotionalität in uns erleben können, dass wir wissen, wer wir sind und dass wir sind und vielleicht im besten Fall auch so etwas haben wie ein sinnvolles Dasein.

In vielen Fällen, wenn man auf Sucht schaut, Suchtstrukturen, viele Menschen, Männer in dem Fall, die sind orientierungslos, die wissen gar nicht, wohin mit sich. Die haben keine Orientierung, haben vielleicht keine Ausrichtung für ihr Leben, wissen nicht, wer sie sind. Ich komme immer wieder auf diese Grundfragen zurück, wer bin ich, was will ich, wohin will ich und mit wem will ich.

Das sind so initiatische Fragen. Und wenn ich das für mich so nicht innerlich abrufen kann, wer ich da bin, entsteht so etwas wie ein Vakuum. Deswegen haben wir so viele gesellschaftliche Bilder, die uns dann vorgaukeln, wie man zu sein hat.

Und dann wird das wieder in ein Bild gebrannt, was wer auch immer auf der Entwicklungsbewegung ist, versucht zu erfüllen. Nur, das berührt eben nicht dieses innere Eigene. Ich glaube, da liegt die Herausforderung drin, dass man eben nicht mehr versucht, den Mangel auszuformen oder den zu befrieden, den frühen Mangel, sondern dass man lernt, sich diesen Mangel wirklich tief zu stellen, also dem nicht mehr auszuweichen.

Und wenn es ja wirklich starke Sucht-Tendenzen hat, dann entsteht der Raum ja gar nicht mehr. Wer bin ich denn eigentlich, wenn ich diese Droge nicht nehme? Und statt zu fühlen, zu fühlen, was in mir wirklich sich zeigt.

Und das, glaube ich, ist die große Herausforderung. Also dieser Form, die Struktur auf der Suchtstruktur nicht so freizugeben. Oder man sagt mal, wer hat denn den in der Hand?

Man weiß, bei stark Abhängigen, die haben die Droge sozusagen, oder die sucht den Menschen in der Hand. Die können dann nicht mehr ohne Droge sein. Das meine ich ja, das ist ja häufig ein ganz starker, auch autoaggressiver Prozess gegen das eigene Leben.

Und so verstehe ich das Leben nicht. Das Leben ist nicht da, dass wir es zerstören und dass wir im besten Fall unser Leben irgendwie achten und schätzen lernen. Und der darin in uns Wunder auftragt, dass der freikommt.

Nämlich uns zu entfalten. Und dem zu folgen, was uns in der Tiefe entspricht. Und ich würde immer sagen, dieses Spannungsfeld zwischen dieser frühen Wirklichkeit und dem, was wir später erleben, diese Verbindung irgendwie auch aufzusuchen.

Wo bin ich in welcher Weise, in welchem Mangel? Wenn man jetzt auf dieser Ebene schaut, gerade auch was Beziehungen angeht, Beziehungen zwischen Mann und Frau, wie viele Männer aus Abhängigkeit zur Frau in Beziehungen sind. Weil sie nicht alleine sein können.

Dann gibt es so etwas wie eine Beziehungssucht, eine Kontaktsucht. Die müssen immer irgendwie jemanden haben, um sich nicht alleine zu fühlen. Das hat ja eine Ursache, das hat ja irgendwie eine Grundlage.

Und klar, dann greift jedes Mal, sobald so etwas ansteht wie Trennung, wird das Thema aktiviert.

Daniel

Wiederaktiviert. Wiederaktiviert, ja. Ja, du hast es gerade schon gesagt.

Die Trennung, die dann eventuell schon mal stattfand und dann wieder aktiviert wird. Oft ist es ja so, dass Situationen aus unserer frühesten Kindheit dann immer wieder dieses Muster in Gang bringen. Und am Ende könnte man sagen, ist ja das Muster, also wenn wir uns dem wirklich stellen und uns der Sucht wirklich begegnen, auch ein Wegweiser dahin, wo wir eigentlich verletzt sind.

Ich weiß nicht, wir können gleich nochmal drüber sprechen, ob du mal Kontakt zu einer Sucht hattest intensiver. Ich habe ja 25 Jahre lang eine Pornografiesucht tatsächlich aktiv ausgelebt und war mir dessen gar nicht so bewusst, weil es irgendwie als Jahrzehnte gehörte zu meinem Leben irgendwie. Und bei mir war es ganz, ganz, ganz klar, dieses Thema, ich habe mir darüber Nähe, Halt und Sicherheit gewünscht.

Also diesen Kontakt, diese Nähe, diese Geborgenheit, die ich von meinen Eltern halt so nicht erfahren habe, die habe ich mir halt über Pornografie, ja, substituiert, könnte man sagen. Und für mich war ganz spürbar, ich habe mich wirklich an die Pornografie gebunden. Also sie war für mich diese fast schon Personifizierung von, wenn es mir schlecht geht, kann ich zur Pornografie gehen, um mich besser zu fühlen.

Ich hatte halt nicht diese Ansprechpartner für, wenn es mir schlecht geht, kann ich zu meiner Mutter gehen und mit meiner Mutter sprechen oder ich kann zu meinem Vater gehen und mit meinem Vater sprechen, sondern ich bin immer zur Pornografie gegangen, um mich besser zu fühlen. Und das ist ja genau so ein Muster, was viele Männer entwickeln, weil sie mit Situationen in ihrem Alltag oder in ihrer Beziehung, vielleicht Stress mit dem Chef, mit der Partnerin, mit den Kindern, immer wieder als Ausweg wählen, um diesen Druck abzubauen, den sie fühlen. Genau, was würdest du denn sagen, ist ein guter Impuls, um mit seiner eigenen Sucht mal wirklich in diese Schmerzen hineinzufühlen und sich vielleicht mit der Sucht auf den Weg zu machen, was ist denn das, was ich da wirklich verdränge?

Axel

Wie war die Frage?

Daniel

Was ein guter Impuls ist für die Männer, um anhand der Sucht mit dem Thema in Kontakt zu gehen, das die Sucht eventuell verdrängt.

Axel

Ja, im besten Fall vielleicht so diese innere Willenskraft wieder zu aktivieren, aus dieser Abhängigkeit rauskommen zu wollen. Also überhaupt, vorausgesetzt man gesteht sich diese Abhängigkeit ein. Also viele verleugnen ja das auch und sagen, ich bin nicht süchtig.

Und das ist ja ein sehr schmaler Grat, wo fängt Sucht an? Und du hast es ja schön beschrieben, die Sucht ist ja sozusagen wie ein Ersatzbedürfnis für etwas. Und wenn die Süchtigen wirklich ehrlich werden würden und wirklich wahrhaftig schauen, dass jede Sucht nicht wirklich diesen Raum füllt, der in uns leer ist.

Das heißt ja, das ist ein kurzzeitiges Erleben, wow, super, jetzt fühle ich mich da irgendwie, wie auch immer, verbunden. Und dann fällt die Kurve wieder ab. Das heißt, dann brauche ich wieder und in vielen Fällen steigert sich dann sozusagen auch das Suchtpotenzial nach oben.

Dann brauche ich immer mehr, um nicht wieder abzustürzen. Aber die Ehrlichkeit dessen, die es braucht, sich der Sucht zu stellen. Und viele, ich sage mal, vielleicht auch bei Männern ist das so, dass etwas im Äußeren häufig dann so auslösersehend entweder sagt, die Frau, ich verlasse dich oder du verlierst deinen Job oder, oder, oder.

Also wo Krise sozusagen auch von außen an uns herangetragen wird, damit vielleicht das Thema für einen selbst nochmal in einer guten Weise vielleicht reflektiert oder man lernt sich dem auch zu stellen. Und der Impuls ist immer, also für mich auf jeden Fall, und das braucht ja viel Mut, dass man für sich selbst den Impuls entwickelt, sich dieser inneren Wirklichkeit von Mangel, woraus Sucht entsteht, lernen zu stellen. In vielen Fällen ist es ja gut, sich da auch Unterstützung zu holen, dass man da auch einen Begleiter hat und eine Begleiterin hat.

Weil so ganz ohne ist es auch schwierig, muss man echt sagen. Weil die Mechanismen sind doch sehr stark und häufig sehr subtil und man macht sich dann schnell. Ich mag den Satz von den Buddhisten, die dann sagten, wenn man aufhört, sich selber einen in die Tasche zu lügen.

Also wenn man aufhört, sich selber irgendwie zu belügen. Ja, ich habe das im Griff oder ich kann das und wenn ich nur will, dann. Nein, es wirklich auch umzusetzen und auch den Mut zu haben, sich auf diesen unangenehmen Themen, die ja meistens Inhalt dieser Sucht sind, auch zu öffnen.

Und der Impuls, im besten Falle kommt der aus dem inneren Eigenen, aber in vielen Fällen, so wie ich das auch häufig höre, ist das, dass der Impuls von außen an jemanden herangetragen wird. Und auch dann ist es ja vielleicht nochmal herausfordernder, weil das vielleicht nicht das innere Eigene so freisetzt und sagt, jetzt Schluss mal damit. Ich meine, ich habe ja auch mal geraucht vor vielen, vielen Jahren und immer vorgenommen, ich höre auf.

Dann habe ich angefangen aufzuhören. Aber es ist und bleibt ein großes Thema, wenn diese eigentliche, ich sage mal in dem Fall Rauchen, diese eigentliche Nahrung, die ich irgendwie so suche, wenn die nicht kommt, greife ich immer auf diese Kompensation, in dem Fall auf die Zigarette zurück. Ich habe jetzt nicht so viel geraucht, aber ich weiß noch, ich war damals mit meiner zweiten Frau zusammen, haben uns ganz kurz kennengelernt.

Und dann haben wir für eine Woche Portugal gebucht und ich stand in Düsseldorf am Flughafen, hatte mir vorher noch so eine volle Schachtel Zigaretten gekauft. Ich habe auf das Flugzeug gucken können, ich hatte noch die Zigarette in der Hand. Ich gucke auf die Zigarette, ich gucke auf das Flugzeug.

Und dann kam der Impuls, die Zigarette ausgemacht, die Schachtel genommen, in den Papierkorb geschmissen und seitdem nie wieder eine Zigarette angepackt. Da habe ich mich natürlich auch gefragt, das ist ein Phänomen einerseits. Nur viel später habe ich verstanden, dass eigentlich, vielleicht auch über den Kontakt mit meiner Ex-Frau jetzt, genau diese Nahrung war, die ich gebraucht habe.

Und viele hören ja dann das Rauchen auf, dann fangen sie das Gummibäressen an, dann wird Sucht mit einer anderen Substanz ersetzt. Aber ich glaube, das ist ganz wesentlich, dass man lernt, sich dieser Wirklichkeit, um was ringe ich eigentlich auch in der Sucht. Du hast es ja auch schön beschrieben, wie dann halt eigentlich eine Form von Kontakt gesucht wird.

Und ich glaube, eine der größten Bedürfnisse, also Grundbedürfnisse, die wir haben, ist Kontakt, gesehen zu werden, angesprochen zu sein, Interesse bekundet zu kriegen, Liebe, Wärme, Zuwendung. Wenn das ja einigermaßen läuft, also ich sage jetzt mal einigermaßen, dann glaube ich, entwickelt sich Suchtstruktur nicht so einfach. Und klar, gibt es auch im späteren Leben irgendwie natürlich Krisenmomente, wo ein Reflex stattfinden kann.

Ist ja auch immer eine Form von Stressabbau. Man sagt ja auch heute, das abendliche Bier nach der Arbeit, das bleibt ja meistens nicht bei der einen Flasche, dann kommt die zweite Flasche, dritte Flasche. Aber auch das ist schon Suchtstruktur.

Es gibt so ein schönes Spannungsfeld. Wie viel Verzicht ist notwendig für wahren Genuss? Also viele verwechseln das ja und sagen, ja, ich trinke ja nur zum Essen und so.

Aber auch da, wie schnell diese Grenzen berührt werden, dass das irgendwie in eine Normalität fällt.

Daniel

Jetzt hast du einen wichtigen Aspekt angesprochen, dieses ich ersetze eine Sucht mit einer anderen. In meiner Arbeit ist mir aufgefallen, dass ein wichtiger Bestandteil, um sich von seiner Sucht zu lösen, auf jeden Fall ist, dass wir eine Alternative finden, eine Disziplin im besten Falle, hatten wir ja auch schon angesprochen, die einen Teil dieser Lehre füllt, mit der ich konfrontiert bin. Und ich halte es immer für hilfreich, sich zum Beispiel eine Liste zu machen, jetzt als ganz konkrete Empfehlung für die Männer, die zuhören, mit alternativen Tätigkeiten, die ich ausführen kann, statt dem Konsum nachzugehen.

Für mich war zum Beispiel sehr hilfreich, dass ich mit dem Staffspinning angefangen habe. Ich habe ja die Aikido-Praxis von Florian mit nach Hause geholt und habe dann angefangen, mit dem Stab zu üben. Und jedes Mal, wenn ich den Impuls hatte, Pornografie zu konsumieren, bin ich einfach rausgegangen und habe etwas anderes gemacht, was mich mit natürlichem Dopamin belohnt hat.

Und dadurch ist so ein Stück weit auch Druck rausgegangen, ich habe mich körperlich betätigt, das ist auch sehr anstrengend. Und das ist etwas, was viele Männer vermissen, dass sie dann aufhören mit irgendwas und dann kommt halt die Ersatzdroge, die quasi die gleiche Wirkung hat, weil kein Ausgleich mit einer anderen Tätigkeit erfolgt, der, sage ich mal, gesundheitlich förderlich ist. Und dieses Kontaktbedürfnis, was du angesprochen hast, ist auch ein wichtiger Aspekt, den ich hier sehe.

Es gibt ja so ein Experiment mit Mäusen, ich weiß nicht, ob du das kennst, ein Dr. Alexander, ich weiß nicht, woher der ist, aber der wird immer wieder zitiert, der hat mal so ein Experiment mit Mäusen gemacht. Da wurden untersucht, gib einer Maus Wasser oder gib einer Maus Wasser mit Heroin und sie wird immer das Wasser mit Heroin trinken, solange sie alleine ist. Und dann hat er irgendwann diesen Wet Park gebaut und hat mit Ratten oder mit Mäusen, ich bin mir nicht ganz sicher, getestet, was passiert, wenn ich denen ein riesiges Areal zur Verfügung stelle, wo die sich frei bewegen können, wo die Kontakt zu anderen Mäusen haben und wenn es denen dann nichts fehlt.

Und auch da haben wieder die Ratten sowohl Zugang zu Wasser als auch zu Drogen gehabt und haben aber komplett 100% das Wasser gewählt. Auch die Ratten, die vorher abhängig waren, also in diesem Verbund, wo mir alles an sozialer Nahrung zur Verfügung steht und wo ich auch mein Bedürfnis in freien Lauf lassen kann, habe ich keinen Impuls mehr, diese Kompensation zu wählen. Und häufig ist ein Muster, was Männer erleben, die sich von Süchten lösen wollen, dass sie eben diesen Prozess alleine machen wollen, du hast es vorhin schon angesprochen, aber allein immer wieder in ihre Muster zurückfallen.

Also sie brauchen jemanden, der diese Kontaktbindung, und da sind wir wieder bei dem Bindungsmechanismus an, die Sucht, der diesen Kontakt übernimmt. Ob das nun eine Männergruppe ist oder die Partnerinnen oder eben ein Coach zum Beispiel, der irgendwie diesen Kontakt herstellt zu dem, was eigentlich in dem Mann sichtbar werden möchte. Gespräche führen über das, was da an Emotionen vielleicht aufkommt.

Damit in Kontakt gehen. Das ist ein häufiger Mechanismus, der bei den Männern dann eben nicht gut funktioniert, weil sie in diesem einsamen Wolf-Setting bleiben und alleine mit ihrer Sucht klarkommen wollen, alleine diese Heldenreise gehen möchten. Und irgendwo ist es ja auch ihre Heldenreise, aber es kann förderlich sein, jemanden an der Seite zu haben, der diesen Kontakt eben übernimmt, damit die Sucht förderlich hinter sich gelassen werden kann.

Axel

Also ich finde es ja nochmal wichtig, dass man nicht zu schnell versucht, so eine Ausgleichsbewegung herzustellen, ohne dass ich mir bewusst bin, was ist eigentlich Inhalt meiner Sucht? Und dass das natürlich eine gute und förderliche Unterstützung ist, wie du sagst, um diesen Suchtdruck oder diesen Impuls etwas daneben stellen zu können, dass ich wählen kann zwischen, jetzt von mir aus diesem Impulsdruck der Sucht nachzugehen oder eben halt eine Form oder eine Möglichkeit sehe, mich damit anders irgendwie auseinanderzusetzen. Und das braucht ja auch etwas wie eine Form, wie eine Disziplin und die Möglichkeit, überhaupt erstmal wählen zu können.

Und gleichzeitig würde ich immer so empfehlen, auch erstmal den Inhalt dieser Sucht, dieser meinigen Sucht zu begreifen, um was es da geht. Sonst könnte ich diese Ersatzbewegung auch wieder zur Sucht werden lassen, dann wird der Impuls verlagert, aber nicht der Inhalt und die Tiefe dessen, um was es wirklich geht. Du hast es vorhin ja auch so beschrieben, also Mangel ist Folge von Verletzung.

Also Verletzung ist primär und daraus entsteht Mangel. Man kann das nicht nur auf der Mangelebene betrachten, sondern letztendlich geht die Reise da auch weiter, dass der Mangel letztendlich auch zu diesem Punkt führt, woraus dann Mangel entstanden ist. Und da sind wir ganz nah an dem Prinzip der Wunde, weil man muss ja sagen, schon allein, und da ist ja jetzt erstmal gar keiner in der Weise verantwortlich wie alleine die Geburt.

Man sagt immer, die natürlichste Form der Verletzung ist unsere Geburt. Wir werden aus der Einheit rausgeworfen und fallen in die Zweiheit. Wir erleben auf einmal uns getrennt, erleben das, wir sind es in der Tiefe nicht.

Deswegen auch diese ganze Bindungstheorie, wie wichtig und bedeutsam es ist, so nach der Geburt wieder in Verbindung zu kommen. Das sind so Urschwungsthemen. Wenn ich mit Menschen arbeite, ich frage immer nach dieser frühen Situation, soweit man das abrufen kann.

Was ist geschehen? Das ist auch schon wieder so ein Ausdruck, dass man kurz nach der Geburt getrennt wurde von der Mutter. Einen Tag, zwei Tage, manchmal zehn Tage.

Das ist eine Apokalypse für das Kind. Das ist ein so tiefer Raum, der nicht mehr in Verbindung findet danach, auch wenn das wieder zusammengeführt wird. Aber dieser Bruch der Verbindung, der ist in vielen Fällen nicht mehr zu kippen.

Dann hat man natürlich den Mangel an Verbindung. Den Mangel an dieser tiefen Form des Verbunden, sich zu fühlen. Dann fangen die Themen früher oder später an.

Dann wird das im späteren Leben auch gerade in der Entwicklungsphase, wo es auch gerade in diese pubertäre Phase geht. Zwischen zwölf und 15 fangen die meisten Jugendlichen an zu trinken. Regelmäßig.

Daniel

Zwischen neun und 13 fangen sie mit Pornografie an. Verrückt.

Axel

Und was wird da vermittelt? Und dass das natürlich noch kein Korrektiv hat, so unterscheiden zu können. Ich sage das ja auch immer in den Gruppen.

Dann lernen die Pornografie und verwechseln das mit Sexualität. Also Sexualität ist was anderes als Pornografie. Wie dann daraus wieder Bilder, was das wieder für Folgen erzeugt und so weiter.

Aber so sind wir erst mal aufgestellt. Und ich glaube, es ist wichtig und bedeutsam, diese Linie zu verfolgen, dass man sagt, Sucht hat immer eine Grundlage. Und Sucht ist der erste Schritt, herauszufinden, in welchem Mangel liege ich eigentlich?

In welchem Mangel trage ich ihn mir? Und wenn ich mich dem lerne zu stellen, dann werde ich mehr oder weniger bei dem Prinzip der Wunde landen. Das ist was sehr Ursprüngliches, was sehr Ursächliches, wie wir dann unser weiteres Leben darauf aufbauen.

Daniel

Das ist eine große Herausforderung. Das kenne ich aus meinem Entzug. Mal so einen 30-Tage-Dopamin-Detox zu machen und dann wirklich auch auszuhalten, was an Emotionen hochkommt, was an Unsicherheiten hochkommt, was plötzlich an Themen da ist.

Und gleichzeitig mit diesem körperlichen Druck auch nach Konsum umzugehen. Das ist schon eine Grenzerfahrung. Das ist eine schöne Überleitung in den archaischen Teilachsel.

Es gibt eine archaische Kraft in der Sehnsucht nach Grenzerfahrung. Auch aus dem initiatischen Sinne heraus vielleicht. An welchem Punkt kippt deiner Meinung nach Grenzerfahrung in Selbstzerstörung?

Axel

Das ist eine spannende Frage. Ich weiß um diese Wirklichkeit der frühen Kulturen, auch die indigenen Völker, wie die auch Substanzen eingesetzt haben. Aber das diente sozusagen der Bewusstseinserweiterung.

Das wurde rituell eingesetzt. Das hat eine ganz andere Grundlage gehabt als so, wie wir das heute nehmen. Ich könnte auch sagen, dahinter steckt, auch in den normalen Suchtverhalten, die Sehnsucht nach Initiation.

Darüber auch eine Grenze berühren zu wollen. Nur diese Grenze führt nicht in die Tiefe, wie zum Beispiel eine geführte Initiation, die das Bewusstsein an diesem Punkt mit impliziert. Da wird es dann schon sehr speziell, wie da etwas verwechselt wird.

Ich bin so ein Atemjunkie. Die natürliche Droge, die wir haben, ist unser Atem. Das haben die ganzen frühen Völker alle gewusst.

Bewegung, Rhythmus, Musik und Atem hat sozusagen einen Bewusstseinszustand verändert. Die sind dann in Trance gefallen. Das, was heute in vielen Fällen auch passiert, ob es jetzt Ecstasy ist, die gehen natürlich über ihre körperlichen Grenzen.

Diese körperlichen Grenzen werden erweitert. Nur das führt nicht zu diesem Erleben oder zu der Erfahrung, um die es vielleicht in der Tiefe wirklich gehen will. Das heißt Reifung und sich seiner selbst bewusst zu werden.

Auch sich bewusst zu werden, in welchem Kontext wir hier so eingebettet sind. Ich glaube, in vielen Fällen früher war dieses Stammesbewusstsein noch, diese große Zugehörigkeit. Das weiß man ja auch bei vielen Banden, diese Zugehörigkeit.

Da werden Mutproben gemacht und so weiter. Auch dieses Bewusstsein zu haben, zugehörig zu sein. Im Männercamp ist das immer ein großes Thema, sich zugehörig zu fühlen, auch zu einer Männergesellschaft.

Rauszukommen aus dieser Vereinsamung, auch aus diesem Einzelkämpfer-Dasein. Ich schaffe das alles allein. Das hat ja alles Folgen.

Das würde ich schon so sehen. Ich glaube, diese Unterscheidung sein darf. Wo ist es wirklich in einer Weise hilfreich und auch sinnstiftend?

Und wo hat es etwas Zerstörerisches, also Selbstzerstörerisches?

Daniel

Jetzt hast du leider schon zwei von meinen tollen Fragen vorweggenommen. Ja, also Sucht könnte tatsächlich ein verkleidetes Initiationsmuster sein. In dieser Sucht kann uns tatsächlich auf Dinge aufmerksam machen, in denen wir noch wachsen wollen, in denen wir Teile von uns noch sterben dürfen und in denen wir Kontakt aufnehmen dürfen zu Verletzungen, die wir erlitten haben.

Hast du denn Beispiele dafür, wie frühe Kulturen mit Rausch und Betäubung umgegangen sind?

Axel

Ja, das kommt mir gerade. Ich war ja jetzt die fünf Wochen in Frankreich. Mit dem Wolfgang sind wir auch auf dieses Thema gekommen.

Es gibt einen sehr schönen Film, der heißt Der Smaragdwald, aus den 70er- oder 80er-Jahren. Da wird ein Junge von dem unsichtbaren Volk in Brasilien entführt. Da wächst er bei denen auf.

Dann sieht der Stammeshäuptling, der Kerl ist jetzt an einem bestimmten Punkt, der braucht jetzt Initiation. Dann wurde der an einen Baum gefesselt. Da gab es immer richtig dicke, fette Killerameisen.

Dann war der übersät. Das war der erste Schritt. Der zweite Schritt war, wie mit einem Blasrohr unter der Nase, da haben die ihm eine Droge initiiert.

Das war sozusagen der Raum, der da aufging, dass er seine Vision findet. Seine Vision für sich und sein Leben. Das ist ein Sinnbild, eine Metapher dafür, dass das in einem bestimmten Kontext eingesetzt wird.

Das hat eine andere Wirkung, als wenn ich das aus einer Abhängigkeit haben muss. Insofern war das ritualisiert, das war ganz geführt und auch durchdrungen, was die da gemacht haben. Insofern gibt es da große Unterschiede.

Die Frage ist immer, um was geht es in der Form der Initiation, auch wenn man Medikamente oder Substanzen nimmt. Ich selber habe ja mal MDMA-Erfahrung gemacht. Wenn die geführt ist, das war eine großartige Erfahrung.

Ich dachte, ich will jetzt nur noch mit Drogen arbeiten. Nein, aber das war für mich eine sehr eröffnende Erfahrung. Wenn die Substanz anders eingesetzt wird als in Clubs oder so.

Das war wirklich geführt, das war sehr gut begleitet. Das hat mich sicherlich noch an dem Punkt so selten erlebt, wie in dem Kontakt mit dieser Substanz etwas geschehen ist. Ich sage mal, das war wie eine tiefe Herzöffnung.

Das hat eine ganz andere Qualität, als wenn ich das nehme, um eine bestimmte Lehre in mir zu füllen. Das ist ein ganz anderer Ansatz. Leider Gottes, ich meine, ich mag den Billy Gyselga ja, der immer sagte, wer ist Herr im eigenen Haus?

Wer bestimmt, in welcher Weise ich etwas mache oder nehme? Wer hat das Zepter in der Hand? In vielen Fällen ist es ja dann irgendwann die Droge, die bestimmt den ganzen Tagesablauf, das Geschehen und so weiter.

Das nennt man ja dann Abhängigkeit. Ich dränge ab. Und so, würde ich sagen, ist das Leben nicht gedacht.

Daniel

Lass uns doch vielleicht noch mal einen kurzen Ausblick geben. Was sind denn aus deiner Sicht Impulse, die du jetzt einem Süchtigen, ob er es erkannt hat oder vielleicht noch nicht, mit auf den Weg geben kannst, um mit seiner Sucht vielleicht zu brechen?

Axel

Ja, indem er anfängt, sich dieser Sucht zu stellen. Also sich ehrlich gegenübersteht und sagt, okay. Ich persönlich würde sagen, wir sind alle Süchtige.

Wir haben alle Mangel erlebt. Je nachdem, wie wir diesen Mangel in welcher Weise kompensieren. Es gibt natürlich da unterschiedliche Grade oder Ebenen.

Aber im Kern kennen wir das alle. Kennen wir das alle. Und die Frage ist ja immer, wenn mir das bewusst wird oder gespiegelt wird, wie bin ich bereit, mich selber auch anzuschauen, mich zu erforschen, um was es da geht.

Aus den gewohnten Strukturen herauszufinden. Und das braucht eben halt dieses Innehalten, gewahr zu werden, um was geht es eigentlich in mir, um darin Bewusstsein zu erzeugen. Und ich glaube, das ist so Voraussetzung.

Wenn wir Veränderungen und all diese Bewusstseinsprozesse sind, sind wir an Bewusstsein geknüpft. Solange ich mir das selber nicht bewusst mache oder bewusst werde, bleibe ich meistens in Frage, weil ich mich in Form und Struktur gebunden habe. Und ich sage jetzt wirklich, wer alleine das Rauchen mal aufhören wollte, da passiert im Körper, wie alles danach schreit.

Jede Zelle schreit, wo bleibt das Nikotin? Oder wo bleibt der Alkohol? Oder wo bleibt die Droge?

Was sind das für Zustände, in denen wir geraten? Und ich mag, wie gesagt, ich mag dieses Spannungsfeld statt, diesen Raum der Leere in uns zu füllen, dürfen wir lernen, ihn zu fühlen, um was es da geht in dieser Welt. Das ist mit Sicherheit kein einfacher Vorgang.

Der braucht mit Sicherheit viel Mut und auch viel Bereitschaft, auch viel Willenskraft zu entwickeln, um zu sagen, ich stelle mich der Welt. Das ist auf jeden Fall eine gute Möglichkeit, diese Bereitschaft in sich auch wirklich zu stärken. Bereitschaft ist, glaube ich, immer der erste Schritt.

Wenn ich nicht bereit bin, mein Leben zu verändern oder die Form und Strukturen zu verändern, dann habe ich zwar eine gute Absicht, aber die Umsetzung ist eine andere.

Daniel

Also von meiner Seite aus, aus meiner Erfahrung heraus, ist ein guter erster Schritt, sich einen Männerkreis zu suchen und die Erfahrung zu machen, dass ich so, wie ich bin, okay bin. Das ist eine Erfahrung, die viele Männer in ihrem Leben nicht so gemacht haben und wo es einen bestimmten Raum braucht, um das trainieren zu können, dass es auch anders geht. Oft ist es ja so, dass diese kindlichen Themen, zum Beispiel, ich habe Hunger und ich komme jetzt auf der anderen Seite an, aber mein Bedürfnis ist nicht befriedigt.

Dieses Bedürfnis, auf der anderen Seite okay rauszukommen, das kann in so einem Feld genährt und trainiert werden. Ich kann mich zeigen mit meiner Verletzung, mit meinen Schmerzen, mit meinem Kummer, mit meiner Wut, was auch immer und es ist danach okay, wie ich bin. Ich werde dafür nicht bewertet, ich werde nicht verurteilt und das kann aus meiner Erfahrung ein guter Transformator sein, um erstmal das Gefühl zu entwickeln, okay, mit mir ist nichts falsch.

Viele Männer haben ja dieses Bild von irgendwas stimmt nicht mit mir. Auch große Scham bezüglich ihrer Sucht. Ich probiere von Pornografie loszukommen.

Ich habe es jetzt schon hundert Mal probiert, irgendwas stimmt nicht mit mir, ich bin ja irgendwie kaputt. Da ein Feld zu haben, jetzt könnten wir auf das Stichwort prosoziale Scham noch vielleicht zurückkommen, um sich mit seiner Verletzlichkeit zeigen zu können und dafür trotzdem als Mensch einfach stehen gelassen zu werden mit den Worten, das ist okay, du bist süchtig und das ist okay. Du hast das und das Thema und das ist okay.

Das ist, glaube ich, ein mächtiges Werkzeug. Also wenn du, Mann, jetzt ein Thema mit einer Sucht hast, egal welche, ein guter erster Schritt könnte sein, zeig dich in einem Männerkreis oder in einem gemischten Kreis vielleicht auch einfach in einem bewertungsfreien Raum, in dem du üben kannst, dich mit deinem Thema sichtbar zu machen. Axel, hast du noch andere Impulse, die du den Männern mit auf den Weg geben möchtest?

Axel

Ich glaube, das Wesentliche ist so benannt. Ich meine, du führst jetzt so Kreise an, so Männerkreise. Je nachdem, wie die Sucht grundgelegt ist, ist es natürlich auch immer hilfreich, sich vielleicht auch einen Therapeuten zu suchen.

Männerkreise können ja vielleicht in vielen Fällen nicht das leisten, was ein Therapeut vielleicht in der Weise natürlich auch unterstützend zur Seite sein kann, um vielleicht auch diese breite Form oder diese Vielfalt der Sucht auch tiefer fassen zu können. Wir haben ja immer vielleicht auch eigene Gedanken zur Sucht. Ganz schnell habe ich häufig gehört, ich habe das ja im Griff.

Das sind ja immer noch so Selbstbilder, die sagen, das ist ja noch nicht so schlimm. Das mag ja alles so sein, aber auf der anderen Seite den Mut zu haben, sich auch Unterstützung zu holen. Ich habe jetzt einige Männer erlebt, die Pornosucht haben, wo die Frauen davon nichts wussten.

Sich auch dem anzuvertrauen, das bringt natürlich in die Beziehung auch wieder Konflikte rein oder Themen rein. Dann kommt was in Bewegung. Das sind ja auch so Schritte, die unterstützend sein können, sich diesem Thema auch mehr und mehr zu nähern oder damit zu öffnen, sich zu zeigen.

Ich persönlich würde immer sagen, egal wie ein Mensch ist, in erster Linie für mich ist es wichtig, im Mitgefühl auf diesen Menschen zu schauen. Weil keiner sucht sich das einfach nur so aus und macht es dann, sondern da steckt immer auch Geschichte und Erfahrung hinter. Und das auch in so einer Gleichzeitigkeit zu betrachten, dass ein Mensch in vielen Fällen in einer inneren Not steckt und versucht, sein Leben vielleicht auch dann über Sucht zu kompensieren.

Dass es kein Urteil ist, Leben lang, sondern dass es eine Möglichkeit bietet, damit in Kontakt zu gehen und vielleicht in gutem Sinne Schritte zu machen, um auch wieder frei zu werden. Ich finde immer so, diese Abhängigkeit ist eine unglaublich einschränkende Lebenswirklichkeit. Und diese Autonomie wieder zurückzugewinnen, zu sagen, ich bin Herr im eigenen Haus.

Ich habe die Kraft und vielleicht auch diese Möglichkeit, mich dieser Weise zu stellen und dem nicht mehr zu folgen. Das kann man natürlich jedem Menschen, Mann oder Frau, letztendlich wünschen, dass Entsucht da ist. Der Mut da ist, sich dem auch zu stellen und den Weg zu gehen.

Daniel

Du hast gerade gesagt, dieses Ich-hab-es-ja-unter-Kontrolle. Da sind wir wieder beim Sich-nicht-in-die-Tasche-Lügen. Ich habe noch einen Erfahrungswert, den würde ich gerne mit reingeben.

Es kann hilfreich sein, sich jemanden zu suchen, der das Thema schon für sich selbst erlebt hat. Meine Frau Lisa hat ja zum Beispiel auch in einer Einrichtung für essgestörte Jugendliche gearbeitet und hat selber mal eine Essstörung gehabt. Sie war die einzige Mitarbeiterin, die die Tricks der Kinder kannte, also der Jugendlichen kannte.

Sie hat genau begriffen, wie die sich selbst in die Tasche lügen und welche Tricks und Wege sie da finden, um sich an den Regularien vorbei ihre Essstörung zu erfüllen. Es kann durchaus hilfreich sein, jemanden zu haben, der die eigenen Muster auch erkennt, mit denen man selber unterwegs ist, die für sich selbst vielleicht unsichtbar sind. Das wäre noch mein letzter Abschluss davon.

Was haben wir diese Folge gelernt? Wir haben gelernt, dass Sucht mehr ist als nur ein Problem, dass sie ein Spiegel sein kann für das, was uns vielleicht noch bevorsteht, wo wir noch nicht frei sind und alte Muster wiederholen. Wenn du spürst, dass du nicht mehr länger getrieben sein willst, dann hör dir diese Folge vielleicht noch mal bewusst an.

Wir haben auch gerade Räume angesprochen, in denen du dich mit diesen Themen noch mal zeigen kannst. Ein Raum wäre das nächste Männercamp. Es findet im nächsten Juni statt.

Auch da steht mittlerweile ein Termin, glaube ich, Axel, oder?

Axel

Ja, der 10. bis 20. Juni.

Daniel

Ansonsten kannst du mit einem von uns beiden gerne ins Gespräch gehen. Wir helfen dir auch gern, auf den ersten Schritten in Kontakt zu gehen mit deinen Themen, die hinter der Sucht liegen. Axel, ich bedanke mich wie immer.

Gerne, ich mich auch. Ich bedanke mich bei dir, ich bedanke mich bei den Zuhörern und Zuschauern, ich bedanke mich bei mir selbst.

Axel

Ich würde sagen, wir sehen uns nächste Woche wieder. Wir sehen uns wieder, wir hören uns wieder und allen den Mut, diese Reise wirklich aufzugehen.

Daniel

In diesem Sinne, gute Reise. In diesem Sinne, gute Reise.