23. Juli 2025
Ja, hallo Axel, hallo Zuhörer, schön, dass ihr da seid. Wir sprechen heute über ein ernsteres Thema, nämlich geht es heute um Suizid. Und zwar denken viele Männer ja an Suizid, aber sie sprechen nicht darüber.
Sie kämpfen still und manchmal verlieren sie diesen Kampf auch, ohne dass jemand davon erfährt. In dieser Folge wollen wir über diese dunklen Momente sprechen, wenn das Leben sinnlos erscheint, wenn alles zu viel wird und wenn der Mann entweder nichts mehr fühlt oder zu viel. Und wir wollen nicht über Diagnosen sprechen, sondern über das Menschsein und darüber, was es braucht, wieder Boden unter den Füßen zu finden.
Wie immer beleuchten wir das von den drei Perspektiven, die wir haben. Einmal schauen wir uns den gesellschaftlichen Teil an, einmal den existenziellen Teil und den archetypischen Teil. Und wir steigen mal mit dem gesellschaftlichen Teil ein, weil er so ein bisschen die Grundlage auch dafür legt, worum es hier gehen soll.
Und natürlich auch, warum wir das erleben als Gesellschaft, was jetzt aktuell stattfindet. Der Juni war ja Monat der mentalen Gesundheit des Mannes, so wurde er international gewidmet. Und da ging es viel um das Thema, mentale Gesundheit der Männer scheint aktuell nicht ganz so gut dazustehen, denn allein in Deutschland sterben jährlich etwa 9000 Menschen durch Suizid und drei Viertel davon sind Männer.
Also man spricht von drei bis vier von fünf Menschen, die sich umbringen, sind Männer. Das sind 25 Männer pro Tag und trotzdem redet niemand darüber. Die Dunkelziffer der Menschen, die es in Erwägung ziehen, ist weitaus höher.
Also wollen wir erst mal darüber sprechen, was der gesellschaftliche Kontext dieses Schweigens sein könnte. Axel, warum fällt es Männern oft so schwer, über ihre Dunkelheit zu sprechen?
AxelJa, also grundsätzlich würde ich ja mal sagen können, dass die meisten Männer, wenn es um inneres eigenes Erleben und fühlen geht, vielleicht nie so haben lernen können, diese Seite, ob sie jetzt hell oder dunkel ist, behaupten, ich muss mich jetzt nicht auf die dunkle Seite legen, ins Mitteilen zu kommen. Das ist ja auch etwas Phänomenologisches, finde ich, wie vielleicht so uralte Haltungen und Überzeugungen, immer noch ein Junge weint nicht, ich kann alles selber, also dieses Bild von diesem Einzelkämpfer, der das alles alleine hinkriegen muss, wie zellulär das scheinbar in uns immer wieder wirkt oder auch aktiviert wird. Das hat ja eine Ursache.
Manchmal, ich bin ja jetzt so länger schon unterwegs, denke ja auch, wie viele Väter haben sich angeboten, wie viele Väter haben ihre Geschichte dem Sohn erzählt oder auch zeigen können, dass sie ein Bild oder eine Erfahrung haben konnten, wie es ist unter Männern auch, sich auszutauschen. Es gibt ja so ein Klickenbewusstsein, aber da wird ja häufig diese dunkle Seite oder diese Themen, die wir ja haben, ich nenne es jetzt mal so diese Themen, gar nicht so angesprochen. Kaum einer erzählt von sich aus über etwas oder von etwas.
Viele sind ja häufig immer erschrocken, auch wenn so suizidale Prozesse gelaufen sind. Mensch, habe ich gar nicht von gewusst, ich habe das gar nicht bemerkt. Also wie, als wenn auf einmal so ein Raum aufgeht, einen Menschen auf einer bestimmten Ebene gar nicht wahrnehmen konnten oder auch gar nicht so einen Kontakt herstellen konnten.
Ich glaube, das ist natürlich auch ein Ausdruck davon. Ich glaube, das ist sehr vielschichtig. Häufig fangen die Ursachen ja sehr früh an, auch gerade so diese suizidalen Gedanken, die entstehen ja nicht einfach von heute auf morgen, sondern das hat ja eine Ursache auch vielleicht tiefer schon grundgelegt und in vielen Fällen hat das ja immer auch was mit einer Sinnhaftigkeit zu tun.
Ich weiß, der Stanislaw Grof, der hat ja mal so gesagt, alle diagnostischen Krankheitsbilder, die wir haben, dazu fällt natürlich auch Depression und so, ist nichts weiter als ein Ausdruck einer spirituellen Krise und damit meinte, dass ganz viele Menschen einen Kontakt, also eine Rückbindung zu etwas, was einen trägt, das, was einem Sinn stiftet, verloren gegangen ist. Und dann ist das Leben sinnlos, öde, fad, träg, dann kommt Depression rein, Resignation rein und dann kann das eine Folge sein, dass das Leben selbst keine Lust, keine Freude mehr bereit ist, also der Kontakt zu dieser Lust und Freude verloren gegangen ist. Ja, und dann gibt es natürlich dann diese Situationen, wo so eine Ausweglosigkeit, so oder manchmal auch, je nachdem, wenn so ein Krankheitsverlauf über Jahre oder Jahrzehnte läuft, ohne dass vielleicht eine bestimmte Ebene auch mit reinkommen kann, und das meine ich schon, entweder auch so bewusst wird oder ein Bewusstsein entstehen kann, dass es ja letztendlich um eine tiefer liegende Krise geht. Und da könnte ich jetzt auch wieder sagen, wir sind eine Gesellschaft, wir haben kein Krisenbewusstsein. Wir schauen immer ganz gern nach Lösungen, aber das löst ja nicht unbedingt das Thema, was in uns angelegt ist.
Und ich würde sagen, wir in unserem Menschsein, Mannsein oder Frausein, wir haben Themen. Und diese Kontaktlosigkeit, die entstanden ist, auch auf einer bestimmten emotionalen Ebene, auch das Mitteilen und das Austauschen auf einer tieferen Ebene, auch so von der Wahrhaftigkeit her, dass Mensch, Mann oder Frau auch wirklich mal so aufmacht, immer, das ist meine Wirklichkeit. Und das ist mir wichtig, dass du das weißt.
Also das ist ganz, ganz selten. Die meisten Menschen, die ja so in diesen Entwicklungsphasen oder auch in diese Zeitfenster fallen, Lebenskrisen oder Lebenssituationen, die fallen in ein Schweigen und vereinsamen und ziehen sich mehr und mehr zurück. Das sind immer so auch Indizien, wenn du Menschen kennst, die auf einmal nicht mehr so in einer bestimmten Weise sich zeigen oder mitteilen, dann immer eine Frage, ey, was ist los?
Wenn man das mitkriegt. Aber viele fragen ja gar nicht mehr.
DanielIch habe hier noch so ein paar Zahlen, die beziehen sich jetzt auf die Vereinigten Staaten, aber ich denke, das lässt sich gut auf unsere westliche Gesellschaft übertragen. Um jetzt mal die Zahlen auch der suizidalen Opfer auf internationales Level zu heben. International betrachtet sind es keine 25 Männer am Tag, die sich umbringen, sondern ein Mann pro Minute.
Weltweit bringt sich ein Mann pro Minute um. Und in den USA ist es so, dass einer von vier Männern unter 35 berichtet, dass er einsam ist. Im Durchschnitt ist einer von acht Männern depressiv und einer von fünf leidet unter einer Angststörung.
Das sind so offizielle Zahlen von diversen Studien, die da aktuell durchgeführt wurden. Und was mich am meisten schockiert hat, während meiner Recherchen, und da komme ich jetzt auf diesen Punkt zurück, den du angebracht hast, dass oft gar nicht bemerkt wird, wie es dem Mann eigentlich geht, auch so rückwirkend nach dem Suizid. Es gibt eine Low-Risk-Paradox-Studie aus dem National Confidential Inquiry into Suicide and Homicide Bericht, in dem untersucht wird, wie viele Menschen oder wie viele Männer nach ihrem Suizid oder vor ihrem Suizid tatsächlich therapeutische Hilfe oder Beistand aufgesucht haben.
Und 90 Prozent von allen Männern, die sich in diesem Bericht selbst umgebracht haben, haben tatsächlich vorher therapeutischen Beistand aufgesucht und wurden als als geringes Risiko eingestuft für Selbstmord. Und das oft wirklich Tage vor ihrem tatsächlichen Dahinschein. Und das finde ich ganz spannend, dass offensichtlich die therapeutische Diagnostik in diesem Zusammenhang gar nicht auf Männer ausgelegt zu sein scheint, weil die meisten Männer da einfach durchrutschen und gar nicht so wirklich klar wird, wie diesen Männern begegnet werden kann, auch im therapeutischen, psychotherapeutischen, psychiatrischen Kontext.
Das finde ich sehr interessant. Und ich bin ja gerade in einer internationalen Arbeitsgruppe, würde ich es jetzt mal nennen, die heißt How to Work with Men und die widmet sich diesem Thema. Also wie arbeiten wir wirklich mit Männern auch therapeutisch?
Und da sind teilweise Therapeuten, die sind seit 20, 30 Jahren im Geschäft und die können wirklich an Händen abzählen, wie viele Männer, die mal in ihrer Arbeit sitzen hatten und bei wie vielen davon tatsächlich die Arbeit irgendeine Form von Fruchtbarkeit gezeigt hat. Also der psychiatrische Kontext, in dem wir gesellschaftlich unterwegs sind, der ist offensichtlich auf die Arbeit mit Frauen ausgelegt. Da sind die größten Erfahrungswerte, da sind die größten Erfolgsaussichten und selbst die Diagnostik, wie eben dieser Bericht zeigt, der Low-Risk-Paradox, das ist schon irgendwie für mich schockierend.
Das heißt, diese tiefe Krise überhaupt sichtbar zu machen für die meisten Männer, das ist offensichtlich eine große Aufgabe, die wir haben als Gesellschaft. Und da sehe ich auch einen zweiten Punkt, vielleicht kannst du auf den gleich noch mal eingehen. Während ich so diesen Monat Juni verfolgt habe und mir auch auf Social Media Beiträge dazu angeschaut habe, ist mir immer wieder begegnet, dass die meisten Kommentare sich darum treten, stellt euch nicht so an, wir Frauen haben das auch.
Und das finde ich echt schockierend, dass wir nicht als Gesellschaft einfach stehen lassen können, dass es Männern auf gewissen Ebenen schlecht geht, sondern dass wir daraus wieder einen Kampf machen müssen, dass es den Frauen doch mindestens genauso schlecht geht und dass man sich mal bitte nicht so anstellen soll. Was natürlich genau wieder diese Wunde triggert, die wir meisten Männer kennen. Stell dich nicht so an, heule nicht so rum und schluck es runter.
Wie siehst du das?
AxelDu hast jetzt einen langen Vorlauf gemacht. Also ich würde das generell nicht gerne so trennen wollen oder werten wollen, Männer so, Frauen so. Mich interessiert immer das Menschsein und das individuelle Thema, was jeder Mensch so in sich trägt.
Das, was du ja benennst, mit dem stelle ich nicht so an, das ist ein uralter Ausdruck, was vorhin ja schon mal so wie ein Junge erzogen wurde, auch in der frühen Zeit, da gab es weinen oder durchhalten, kämpfen, kämpfen, kämpfen. Das sind natürlich alte Bilder, die in den Zellen immer noch aktiv sind. Das würde ich schon so betrachten.
Und auf der anderen Seite kann ich ja auch sehen, wie wenig sozusagen oder wie selten oder wie lange es braucht, bevor sich ein Mann wirklich auf den Weg macht. Also dieses Aushalten und dieses lange und es geht noch und doch nicht. Da sehe ich eher so einen Ansatz, dass Männer lernen dürfen, viel früher in Bewegung zu kommen, sich auch Unterstützung zu holen.
Ich kann das ja jetzt gar nicht sagen, was das heißt. 90 Prozent haben therapeutische Arbeit geleistet. Was heißt das jetzt?
Psychotherapie oder haben die Tabletten gekriegt und so. Und auch das tablettenabhängig. Man unterdrückt ja gewisse Symptome in vielen Fällen, die natürlich auch ihre Berechtigung zu einer gewissen Zeit haben.
Aber dann heißt es ja auch, meiner Meinung nach, wenn ein Mensch so in so einer Lebenssituation ist, dran zu bleiben, sich auch wieder in Vertrauen zu fühlen, diesen Weg auch wirklich zu gehen und die Herausforderungen dieser Krise auch lernen anzunehmen. Und da würde ich sagen, wenn einmal so dieser graue Schleier sich über das Leben gezogen hat, ist das schwierig. Lust und Freude, Sinnhaftigkeit zu sehen.
Da hören ja ganz viele normale oder uns eingeborene Lebensimpulse, die werden nicht mehr abgerufen. Das sagte ich ja. In vielen Fällen legt sich eine Depression und aus der Depression wird Resignation und dann ist keine Bewegung mehr vielleicht in den Menschen auch fühlbar, aus dieser Krise wirklich rauskommen zu wollen.
Das finde ich natürlich auch erstmal bemerkenswert, wie lange Männer brauchen, um in Bewegung zu kommen. Jetzt kann man sich ja auch mal interessieren, wieso ist so die Auffälligkeit bei den Männern? 70 zu 30 glaube ich ist ja so.
70 Prozent der Männer, also sind suizidalen Prozesse, sind Männer. Auch da, was drückt das eigentlich aus? Was drückt das eigentlich aus?
Wieso ist das so verschieden? Wie gehen Männer mit Themen um? Wie gehen Frauen mit Themen um?
DanielMöchtest du eine These haben dazu?
AxelWenn du eine hast.
DanielIch habe eine und zwar ist es die Isolation. Frauen gehen öfter in Kontakt mit ihren Themen und der durchschnittliche Mann macht das nicht. Ein Grundbaustein einer jeden Depression ist ja das Gefühl, sich isoliert zu fühlen und allgemein jedes neurowissenschaftlich krankhaften Verhaltens ist ja immer auch die Isolation oder das Gefühl des isoliert fühlens.
Das ist meine These zu dem Thema.
AxelJa, da sind wir bei dem Grundthema, was ich vorhin sagte. Diese Kontaktebene, sich wirklich auch zu zeigen, sich mitzuteilen, herauszukommen, sichtbar zu werden, fühlbar zu werden für die Umwelt oder für meine Mitmenschen, das alleine ist ja schon ein großer Schritt. Das ist so eine Schwelle ohne Gleichen.
Und doch drückt es für mich nicht unbedingt das nur so aus, dass man sagt, die Häufigkeit bei Männern ist um vielfaches größer. Das ist nur eine Form der Isolation.
DanielNicht nur, es zählen natürlich noch andere Faktoren wie Dauerstress und so weiter dazu. Also dieses Funktionieren die ganze Zeit. Ich fand es spannend, dass du gesagt hast, wie lange dauert es, bis sich ein Mann überhaupt auf den Weg macht.
Also das ist natürlich wirklich spannend. Also da habe ich auch gerade drüber nachgedacht. Ja klar, der durchschnittliche Mann, der wird wahrscheinlich sehr, sehr, sehr, sehr lange runterschlucken und wird erst zum Therapeuten gehen, wenn es wirklich kritisch ist.
Und wenn ihm dann nicht irgendwie kurzfristig jemand helfen kann, ja dann geht er den Weg für sich weiter mit dieser Angst, die er hat. Das ist wahrscheinlich so dieses Ding, dieses sich wirklich früher Hilfe holen und früher damit in Kontakt gehen, bevor es wirklich so düster wird, dass nur noch eine Lösung übrig bleibt.
AxelJa, das hat ja, du kennst ja Freud. Freud hat ja mal diesen Begriff den Todestrieb in die Welt gebracht. Also dass es auch etwas gibt wie die Sehnsucht des Sterbens, nach dem Sterben.
Das ist ja auch ein interessanter Aspekt. Also wenn man mal so schaut, also alles was wir ja in vielen Fällen auch so leben, hat viel damit zu tun, dass wir sozusagen autoaggressiv in der Welt sind. Alleine das mal so zu betrachten, also welcher Teil in uns geht gegen das eigene Leben.
Also da laufen ja schon ganz viele Faktoren, ohne dass wir sagen, das führt ja zum Suizid. Aber das sind alles so Parameter. Und dann kann man immer sagen, ja, haben wir glaube ich schon mal darüber gesprochen, also alle Suchtstrukturen, viele sitzen dem ja so auf und sagen, ja Sucht hat was mit Suche zu tun.
Das ist aber nicht so. Der Wortstamm von Sucht ist Sichtung. Das heißt, etwas in mir greift ganz bewusst oder unbewusst nach irgendwelchen Formen, um mein Leben zu zerstören.
Also das ist so ein autoaggressiver Prozess und in dem stehen wir in gewisser Weise, würde ich sagen alle, weil das auch so einen Gegensatz hat. Also ich glaube, der Freud hat ja mal dieses Werk geschrieben, Jenseits des Lustprinzips. Das fand ich ganz interessant.
Und dann sagt er, es gibt eben diese zwei Kräfte. Einmal diese Zerstörungskraft und einmal diese Kraft, die nach Leben drängt. Das nennt er dann Eros.
Und das andere ist eben halt der Todestrieb. Und es gab ja auch so was, wie in den Mythen gab es ja so einen Teil, wie hieß der noch? Warte, jetzt muss ich gerade mal gucken.
Thanatos, das war der Todesgott. Also wie auch in der Mythologie dieses Thema von Tod und Sterben auch schon immer existent war. Immer.
Und viele, wenn man ja auch so fragt, oder auch Leute, die vielleicht suizidale Versuche schon gemacht haben, aus welcher Motivation, aus welchem Impuls heraus, da ist in vielen Fällen Hoffnungslosigkeit, Sinnlosigkeit. Was gibt es noch?
DanielÜberforderung.
AxelNein, das sind dann die Stressfaktoren. Also keine Lust mehr zu haben am Leben. Wenn man keine Lust mehr hat am Leben, würde ich sagen, wenn man das auf so eine Waagschale, dann kommt dieser andere Teil, vielleicht auch mehr, die Lust am Sterben raus.
Und das sagt ja keiner. Ich meine, ich persönlich würde sagen, wieso freuen wir uns denn nie aufs Sterben?
DanielEs gibt ja viele Männer oder allgemein Depressionen, die formulieren das ja nicht so, ich will sterben, sondern ich möchte, dass der Schmerz aufhört. Das heißt, da ist ein großer Lebensschmerz über das, jetzt kommen wir vielleicht auch zum existenziellen Teil, über das, was ich verkörpere in meinem Leben. Da spüre ich sehr viel Leid und Kummer und ich möchte, dass das aufhört.
Und ich erinnere mich aus meinem Leben an Dutzende Momente, wo ich dachte, wenn es morgen vorbei wäre, wäre es auch okay. Also ich habe da keine große Dramatik oder so, sondern das war eher so ein tiefes Gefühl der Erschöpfung. Wie ist es denn bei dir, Axel?
Hast du selbst mit suizidalen Gedanken schon mal Kontakt gehabt?
AxelAlso ich würde jetzt sagen, ja, klar. Es gab auch verschiedene Lebensphasen oder Lebenssituationen, wo scheinbar der Vorgang die Erlösung wäre. Man sagt ja auch immer, Tod ist dann die Erlösung von dem Übel oder von dem Schmerz.
Ich glaube, das kennt jeder in uns. Ich glaube, du hast es ja auch mal gesagt, zack, mal das Lenkrad oder das Lenkrad mal bei 150 rüberziehen, dann ist das Thema gegessen. Natürlich kennen wir das.
Natürlich kennen wir das. Also ich kenne das auch. Und ich würde jetzt nicht sagen, dass ich dem Impuls mehr Raum gegeben hätte.
Aber so ein Gedanke war sicherlich schon mal da. Für mich ist es natürlich jetzt ein anderer Prozess geworden, wo ich entdecke, wie viel Wert das Leben hat. Und ich glaube, das ist in vielen Fällen auch so ein existenzielles Thema.
Wenn ich den Wert meines Lebens nicht fühle, wird es ja wertlos oder sinnlos. Das heißt, dieser andere Raum geht eventuell viel freier oder viel leichter auf. Und dann ist immer die Frage, so kann ich den Wert meines Lebens erkennen, auch in Situationen, wo es eng wird.
Du hast vorhin gesagt, es gibt ja Menschen, die haben ein unglaubliches Schicksal. Das sind Menschen, die 24 Sieben Schmerzen haben ohne Ende. Und dann ist das natürlich auch menschlich nachvollziehbar.
Ein Mensch möge den Schmerz ein Ende haben. Aber wenn der Schmerz einfach nicht weggeht, was machst du da? Und auch da gibt es ja unterschiedliche Meinungen.
So darf ein Mensch selbstbestimmt noch entscheiden, ob er leben oder sterben will. Auch das finde ich ein großes Thema. Wieso kann ein Mensch nicht über sein Leben bestimmen und sagen Nein?
Und ich meine jetzt nicht unbedingt aus einer tiefen Depression heraus oder aus einer tiefen Sinnkrise heraus oder aus Krankheits… Alleine das.
DanielIch musste jetzt gerade an das denken, was mein Vater vor kurzem zu mir gesagt hat. Da ging es um das Thema Pflege. Wir schweifen aber schon sehr vom Thema ab gerade.
Und er meinte, wir müssen uns um das Thema Altersvorsorge für ihn keine Gedanken machen. Wenn er merkt, dass seine Zeit gekommen ist, macht er es wie die alten Japaner. Er geht in den Wald und läuft so lange, bis er tot umfällt.
So hat er es formuliert. Das ist ja auch eine Form, aus dem Leben zu scheiden, aus der eigenen Entscheidung heraus, sage ich jetzt mal.
AxelJa, was ja grundsätzlich… Ich meine, die Indianer haben das ja früher auch gesagt. Die sagten Gott weiß, meine Zeit ist gekommen.
Dann sind sie gegangen, haben ihr Sterbelager gebaut, haben sich hingelegt, nicht mehr gegessen und nicht mehr getrunken. Und dann sind sie gestorben. Also finde ich auch ein gutes Bild für diesen Übergang.
DanielFür die bewusste Entscheidung dazu.
AxelDas ist ja der Vorgang. Das ist ja der Vorgang.
DanielAber okay, das ist, glaube ich, ein anderes komplexes Thema. Das können wir vielleicht nochmal in einer anderen Podcast-Folge beleuchten. Mich interessiert nochmal die Frage, was passiert denn in einem Mann, wenn er sich so vom Leben abgetrennt fühlt, dass er keinen Sinn mehr spürt?
AxelJa, wenn ich den Vorgang jetzt mal so energetisch… Dann ist ja nichts mehr, was sich am Leben erfreuen kann. Oder nichts mehr, was Lebendigkeit hervorbringt.
Also wo irgendwie, ich nenne das ja immer so wie ein grauer Schleier, sich über das alles Lebendige legt. Und das ganze Lebendigsein nicht mehr wahrgenommen wird. Und das führt natürlich, wenn man es so als Spirale sieht, immer tiefer, immer tiefer, immer tiefer, immer tiefer, immer tiefer, in diese Ausweglosigkeit rein, Hoffnungslosigkeit rein.
Wo dann vielleicht kein Licht mehr im Dunkeln zu sehen ist. Und da ist auf der einen Seite ja eine große, große Not.
DanielWas macht denn diese Hoffnungslosigkeit so gefährlich?
AxelDas ist ja immer auf mehreren Ebenen zu betrachten. In der initiatischen Arbeit sagt man ja erst, wenn die Hoffnung gestorben ist, ist man angekommen in der Wirklichkeit. Weil Hoffnung immer noch einen Halt geben kann, sich dann etwas festzuhalten.
Was grundsätzlich auch nicht verkehrt ist, aber man muss das auf den Ebenen betrachten. Aber wenn so Hoffnungslosigkeit auch stirbt, was stirbt dann? Stirbt dann auch alle Vorstellungen, alle Ideen, alle Konzepte vom Leben?
Vielleicht Wünsche, Absichten? Das ist so vielfältig, woran wir unser Leben binden können. Und Hoffnung ist sicherlich eins davon.
Und Hoffnung ist auch eine Kraft, kann man auch sagen. Sowohl das eine wie auch in die andere Richtung gehen kann.
DanielAber das ist ja genau diese Schwelle, die du gerade angesprochen hast. Wenn ich alles ablege und da nichts mehr ist, selbst keine Hoffnung mehr, mit der ich mir irgendwie versuche, das Leben zu erklären oder da irgendwelche Konzepte davon, von irgendwelchen Sachen zu haben, dann habe ich ja die Möglichkeit, und jetzt kommen wir zum archetypischen Teil, die Möglichkeit zur Wandlung. Und ich kenne das aus meinem Leben immer, wenn ich den Impuls hatte, irgendwie, ich sehne mich nach dem Sterben gerade, auf irgendeine Art und Weise.
Dann war das für mich häufig ein Gefühl von, ich spüre so einen Ruf nach innerer Wandlung. Also nicht dieses, ich will nicht mehr leben, sondern ich will in Wahrheit so nicht mehr leben. Also ich sehne mich nach einem neuen Zustand, also nach mehr Wahrheit, nach mehr Tiefe, nach mehr von mir selbst.
Und oft ist ja diese Hoffnungslosigkeit, wenn die auch stirbt, so wie du schon gesagt hast, dieser Raum da für die intensive Begegnung mit mir selbst. Welche Rolle spielt denn hier der symbolische Tod in der Reifung des Mannes auch eventuell?
AxelNaja, der spielt eine große Rolle, weil das eine Lebensfähigkeit ist, auf die wir treffen, von Anbeginn an. Also wir können nichts halten, alles unterliegt der Veränderung und der Wandlung, das sagen wir jetzt so. Aber wenn sich das im Leben zeigen will, dann bauen sich über bestimmte Lebenssituationen natürlich diese Krisen auf.
Und dann ist wieder die Frage, bin ich bereit, den Inhalt dieser Krise zu erforschen, mich dafür zu öffnen. Und im besten Falle, wenn ich etwas erkenne, was Inhalt der Krise ist, etwas Altes, sagt man im initiatischen Sinne, das Alte ist es nicht mehr, das Neue ist noch nicht da, also braucht es einen Übergang. Und der Übergang ist immer mit Sterben verbunden.
Das heißt, etwas Altes, was sich überlebt hat, will oder muss sterben, damit Neues geboren werden kann. Insofern ist das ein Prinzip, in dem wir Menschen alle stehen. Und da wird sich diese Metapher von diesem Stirb und werde jederzeit, jede Sekunde irgendwie so zeigen.
Ich sage auch immer, jeden Atemzug, den wir atmen, den atmen wir nur einmal, dann stirbt der, und im neuen Atemzug atmen wir ein. Das ist scheinbar immer das Gleiche, aber wenn man da ein tiefes Bewusstsein reinführt, dann werden wir erkennen, dass wir ständig in Übergängen leben. Ständig, ständig.
Das ist eine Grundfreiheit unseres Lebens. Und insofern ist der große Tod auch ein Übergang, auf den wir ja hinleben. Man kann immer sagen, diesen Weg, den wir zu gehen haben, und das ist ja so, man könnte es jetzt christlicher Weg nennen, man könnte es Heldenreise nennen, einen initiatischen Weg nennen, in der Tiefe drückt das alles das Gleiche aus.
Das heißt, dass wir permanent, immer wieder auch eingeladen werden,
uns dieser Wirklichkeit des Sterbens und des Lebens oder des Sterben und Werdens zu öffnen und da ein Bewusstsein von zu kriegen. Deswegen würde ich sagen, ich übe das für mich ja auch gerade, dass ich sage, das ist ja nicht getrennt, Leben und Sterben. Also auch wenn wir hier sitzen, leben wir und wir sterben gleichzeitig.
Wir sterben schon, wir sind schon in einem Sterbeprozess. Nur wie wir das natürlich in einer unglaublichen Weise auch gelernt haben, zu trennen oder abzuspalten oder zu unterdrücken, das Sterben war natürlich eine große Befürchtung, eine große Angst, die auch liegt. Aber im Kern ist das meiner Meinung nach ein Vorgang, den wir in einer permanenten Weise ausgeliefert sind oder uns dafür öffnen können.
Und darin liegt natürlich auch ein großes Potenzial, das Prinzip kennenzulernen und sich sozusagen für diesen permanenten Weg der Veränderung lernen zu öffnen, sich zu weiten und auch herausfordern zu lassen, nichts zu halten, nichts sich festzumachen, dem nicht auszuweichen. Jetzt könnte man ja auch, wenn wir jetzt mal den Bogen spannen zu vielen Menschen, die vielleicht auch wirklich suizidal ihr Leben beendet haben, wenn man in der Biografie so schaut, wirst du immer natürlich auch Situationen vorfinden, die so ursächlich etwas in der Tiefe vielleicht erzeugt haben, was sozusagen den Kontakt zu dem Lebendigsein vielleicht auch unterdrückt haben oder geschwächt haben. Und es gibt ja sehr, sehr, sehr viele schicksalhafte Erfahrungen, wo großes Leid auch in unserem frühen Wesen entsteht, wo dann das Leben nicht mehr unbedingt freundvoll sich anfühlt. Und dann sind wir wieder bei dem großen Thema von der Verletzung und von der Wunde.
Wie das auch natürlich etwas mit sich bringt, das hat meiner Meinung nach auch immer etwas Trennendes in uns, was wir in der Tiefe zwar immer sind, aber wozu wir den Kontakt verlieren. Und das könnte auch heißen, Lust und Freude am Leben, den Wert des Lebens zu fühlen, nicht nur zu erkennen, sondern auch wirklich zu fühlen, wie einzigartig jeder Mensch ist. Man könnte auch sagen, wie jeder auch in seiner ureigenen Bestimmung steht.
Und das hat alle Höhen und Tiefen, das geht immer auf und ab. Und ein Bewusstsein davon zu kriegen, sich diesen Themen auch lernen zu stellen, dem nicht mehr auszuweichen. Sich jetzt mal wieder in Kontakt zu gehen damit.
Hör mal, da stehe ich gerade. Da geht es mir, ich weiß gar nicht, wie es weitergehen soll und so weiter. Das sind so Kontexte, da darf man auch hinschauen.
DanielKönnte es sein, dass eine Depression vielleicht ein lang anhaltender Wunsch nach irgendeiner Form von Initiation sein könnte in dem Kontext?
AxelJa, da begeben wir uns jetzt auf großes Eis. Was wissen wir schon, was wirklich Inhalt der Depression ist? Was ist wirklich der Inhalt dessen, was dieser Mensch gerade erlebt?
Und doch würde ich auch sagen, dann bin ich ja wieder bei Stanislav Grof, der sagt, jede diagnostische Diagnose, die etwas ausdrückt, ob der Mensch gestört ist, drückt aus, dass etwas, das wäre vielleicht auch so meine Überzeugung, dass etwas sehr Wesentliches nicht mehr in uns abrufbar ist. Das könnte sein wie Religion. Religion heißt ja Religion wie eine tiefe Form von Rückbindung.
Da kann man sich fragen, an was denn? An was binden wir uns denn auch auf? An was bindest du dich rück?
An was binde ich mich rück? Was mir vielleicht auch den Sinn und die Tiefe des Lebens vermittelt oder auch aufzeigt. Und ich würde sagen, das Leben selbst ist niemals gegen uns.
Wir haben natürlich dann so Bilder entwickelt oder Vorstellungen, das Leben ist schwer, das Leben ist, ist, ist, ist. Nee, würde ich nicht sagen. Also ich würde sagen, das Leben ist, wie es ist.
Nur wie wir das Leben wahrnehmen, wie wir im Leben stehen oder gegebenenfalls was wir vom Leben wollen, das dürfen wir lernen zu hinterfragen. Also wie nehmen wir Leben eigentlich wirklich wahr? Und leben wir, leben wir, also sind wir lebendig im Leben?
DanielAlso ich nehme diese Phasen in meinem Leben, in denen ich sehr eng mit dem Sterben in Kontakt bin, immer als sehr dunkel und düster war. Ich kann mich daran erinnern, dass ich hatte ja nach dem letzten Männercamp nochmal ein sehr intensives Erleben von, ich kann diesen Scheißlärm hier in der Stadt echt nicht mehr haben. Ich muss das sterben lassen.
Und was passiert denn, wenn ein Mann durch diese Düsternis und durch diesen dunklen Raum durchgeht, ihn wirklich da mit in Kontakt geht und überlebt?
AxelJa, da ist ja natürlich diese Definition dunkel. Also das sind ja so Themen, die uns in vielen Fällen nicht so bewusst sind, ich sag mal, so Schattenthemen. Dadurch, dass es ja ein Schattenthema heißt, heißt es ja, dass es uns selbst nicht bewusst ist, sonst läge es ja nicht im Schatten.
Wenn ihr sagt, ich habe meine Schattenthemen und so, dann ist das eine Frage, also was liegt im Schatten, was mir selber noch nicht so bewusst ist oder geworden ist. Und dann werden solche Prozesse natürlich in gewisser Weise sich anbieten, damit in die Dunkelheit Licht reinkommt. Dass auf einmal betrachtet werden kann, ach guck mal, das ist noch ein Thema und da bin ich so und das erlebe ich so.
Das ist natürlich ein Vorgang, der braucht Mut, der braucht Mut, dem nicht auszuweichen. Jetzt kann man ja wieder wieder sagen, Krise heißt ja neu wählen. Du hast gesagt, Mensch, ich kann den Lärm der Stadt nicht mehr aushalten.
Jetzt könnte ich ja dich mal fragen, wie lange Jahre hast du den ausgehalten? Und jetzt wird es dir bewusst. Wahrscheinlich war dir das schon viel früher bewusst, aber eine Form und Struktur, die sind ja dienlich und man kann sich das noch schönreden und auch gutreden und so.
Aber wenn es ja wirklich anfängt, dass das ins Leid führt, haben wir eigentlich die Verantwortung zu handeln. Also alles das, was du ja vielleicht mit dem Thema Stadt verbunden hast oder ihr, wie schön es ist, in der Stadt zu sein und so, das ist ja das, was sterben darf, das Bild und die Vorstellung. Weil die Wirklichkeit ist ja dann vielleicht nicht mehr näherend, sondern sie kostet ganz viel.
Die Stadt ist für mich nach wie vor ein rotes Tuch. Jetzt war ich in Berlin und ich denke, wie können Millionen von Menschen in solchen energetischen Feldern leben? Du guckst aus dem Fenster, guckst auf Beton, du hast einen Geräuschspegel, du hast einen Elektrosmog.
Dass da Menschen krank werden, da muss man sich doch gar nicht wundern. Und wenn Kinder schon in diesen Kontexten groß werden, also getrennt von der Natur, dann musst du entweder in die Bahn fahren oder in den Zug setzen, um in den Wald zu kommen.
DanielDas ist schon irrsinnig eigentlich. Eine verrückte Welt. Also für mich ist es verrückt.
Warum bringt denn nicht Mitgefühl allein die Rettung aus diesem Zustand, sondern der ehrliche Kontakt zu anderen?
AxelMitgefühl ist eine essentielle Qualität unseres Menschseins. Und ich würde mal sagen, Mitgefühl entsteht letztendlich daraus, dass ich mir und meiner Wunde in einer unglaublich tiefen Weise begegnet bin und sie lerne, zu mir zu nehmen. Dann erkennen wir auf einmal, alles Lebendige ist verletzt.
In dem Augenblick, wenn wir alles sehen, dass alles das Thema oder dieses Prinzip in sich trägt, entwickeln wir Mitgefühl für jeden Menschen, für jeden. Also alles Lebendige, was in diesem Planeten existiert, unterliegt diesem Prozess der Verletzung. Wenn man lernt, sich dieser Wunde zu stellen, das ist ja so ein initiatives Prinzip, dass man lernt, der nicht mehr auszuweichen, die Wunde zu delegieren, andere dafür verantwortlich macht, dass mein Leben blöd sich anfühlt oder nicht erfüllt anfühlt, sondern dass ich lerne, mich dieser Wirklichkeit zu stellen.
Von ganz alleine, ich höre, vieles geschieht aus sich selbst heraus, entwickeln wir ein Bewusstsein von Mitgefühl. Das ist eigentlich, finde ich, die eilsamste Kraft, die wir in uns wieder entwickeln dürfen, im Mitgefühl zu sein. Nicht in Wertung, nicht in Urteilen, nicht im Drüberstehen oder im Kämpferischen.
Nein, Mitgefühl. Und auch zu sehen, auch wenn man den Bogen so spannt, auch wenn Menschen suizidal ihren Lebensweg beenden, braucht es auch Mitgefühl. Es braucht auch ein Würdigen dieser Entscheidung und nicht Verurteilen.
Das ist natürlich in vielen Fällen eine schmerzhafte, leidvolle Grundlage, aber der Prozess selbst braucht auch Würdigung.
DanielJa, mir ging es... Axel, darf ich dich fragen? Wenn es dir zu privat ist, sagst du einfach Bescheid.
Du hast ja vor Kurzem erzählt, du hast auch einen alten Mann, mit dem du mal zusammengearbeitet hast, vor Kurzem an Selbstmord verloren. Wie hat dich das getroffen oder wie bist du damit umgegangen? Hat dich das schockiert?
Warst du auch einer von den Männern, der gedacht hat, wow, hätte ich nie vermutet? Hast du das kommen sehen?
AxelIch habe ja einige Männer schon, entweder auch in dem Kontext der Arbeit oder der Projekte, erlebt, die sich suizidal diesen Prozess vollzogen haben. Es gibt natürlich immer beide Aspekte. Einerseits natürlich das tiefe Mitgefühl, dass jeder Mensch, in dem Fall auch dieser Mann, eine Situation in seinem Leben angetroffen hat.
Da kann man sagen, er hätte in gewisser Weise gut weitergehen können, was immer gut heißt. Oder zu sehen, für ihn selbst war die Herausforderung zu groß, dass er für sich entschieden hat, seinem Leben ein Ende zu setzen. Es gibt dann dieses Bedauern und gleichzeitig auch diesen Punkt der Würdigung dessen, dass er es so gemacht hat, wie es für ihn in dem Augenblick stimmig war.
Jeder Mensch, der diese Welt verlässt, fehlt. Aber auch das ist die Wirklichkeit unseres Menschseins. Kein Mensch wird dieses Leben überleben, keiner.
Dass da natürlich auch in dem Fall für die Familie und auch für die Kinder sehr herausfordernd ist und natürlich auch traurig ist und auch dieser Verlust spürbar wird, da kann man im Mitgefühl sein. Zu sehen, ja, das Schmerz. Ein Mensch, der einem nahe ist, Vater oder Mann, der diesen Weg dann so wählt.
Ich versuche immer, beides so zu betrachten für mich. Ja, okay, es war seine Entscheidung und das kann ich achten. Und ich sehe auch das, was vielleicht die Grundlage seiner Geschichte ist oder war, was ihn dazu geführt hat.
DanielEine der therapeutischen Aufgaben in diesem Kontext ist ja nicht, die Symptome zu behandeln, sondern den Menschen wieder in Beziehung zu bringen. Zu sich selbst einerseits, zum eigenen Körper, aber auch eben zur Welt und zur Außenwelt. Also auch in Kontakt mit anderen Menschen.
Hast du ein paar Impulse für die Zuhörer, die sich vielleicht jetzt ertappt fühlen in ihrer Einsamkeit oder Isolation? Welche einfachen, gangbaren Schritte da möglich sind?
AxelJa, ich finde ja, wenn ein Mensch, in dem Fall vielleicht Mann oder auch Frau, an einen Punkt kommt, wo es herausfordernd wird oder ist, und in vielen Fällen ist es ja schon so. Wir müssen ja gar nicht warten, bis es herausfordernd ist. Im Kern ist das Leben tagtäglich herausfordernd.
Und dann gibt es verstärkende oder intensivere Lebenssituationen, wo das vielleicht dann spürbarer wird für mich, dass ich mir vielleicht im besten Falle mal Zeit schenke, innezuhalten. Also aus all diesem Wahnsinn der Schnelligkeit, der Überforderung, mir Zeit schenke, herauszutreten. Und im besten Falle vielleicht mal so etwas wie auf mein Leben schaue.
Also in vielen Fällen, du sagst ja, wir brauchen ja den Kontakt mit uns selbst. Also wenn wir nicht mit uns selber in Kontakt sind, sind wir Spielball der äußeren Umstände. Wir leben was, wir sind funktional statt emotional, und das hat ja alles diese ganzen Folgen.
Und ich glaube, unsere Gesellschaft ist ja daran erkrankt, dass wir uns selbst so wenig Zeit und Raum geben, wirklich auf unser Leben zu schauen und vielleicht auch mit diesen Fragen zu gehen, wer bin ich, was will ich und wohin will ich. Und das ist für mich immer so ein Korrektiv. Wenn ich den Mut habe, mir diese Fragen zu stellen und jetzt nicht so furchtbare Antworten, sondern wirklich die Fragen erst mal wirklich in mir aktiv sein lasse oder auch arbeiten lasse und mich dann für diese möglichen Fragen öffne oder für diesen Prozess, das kann was sehr, sehr heilsames Unterstützendes sein.
Und dann natürlich den Mut, auch dieser Wirklichkeit, wie immer sie sich darstellt, nicht schönzureden, sondern vielleicht auch die Tiefe dessen, wo man wirklich steht im Leben. Und fühlen und daraus im besten Falle die Verantwortung wieder auch zu greifen, mein Leben in eine Veränderung zu führen. Und das steht immer an.
Immer. Wir haben es gut eingerichtet, deswegen heißt es ja auch Gewohnheit. Da wohnen wir in der Gewohnheit mit den Formen und den Strukturen.
DanielWir kommen langsam zum Ende der Folge, Axel. Es gibt ja viele Menschen, die sagen, Suizid ist was für schwache. Ich vertrete so eher die Ansicht, es ist eher ein Thema für Menschen, die irgendwann keine Kraft mehr haben, aber nie gelernt haben, sie sich zurückzuholen oder Orte aufzusuchen, an denen sie sich aufladen können.
Axel, wie können Männer, die am Rand stehen, zurück ins Leben finden? Was hilft wirklich? Und was hat sich in deiner Arbeit über die fast 40 Jahre, die du dir jetzt schon machst, bewährt?
AxelJa, was hilft? Erst mal muss die innere eigene Bereitschaft wirklich da sein, diesen Zustand, in dem man sich bewegt, auch in Veränderung zu führen. Das braucht ganz viel Einsatz.
Wir wissen ja, die Untiefen der Lebenswirklichkeiten, das macht man nicht so klack-bumm und dann gehe ich da raus. Das braucht wirklich viel Hinwendung, es braucht den Mut, es braucht Unterstützung, es braucht viel Austausch. Es braucht Körperlichkeit.
Alle Depressiven haben einen ganz starken Widerstand gegen Bewegung. Über Bewegung würde der Atem sich beschleunigen. Wenn der Atem sich beschleunigt, würden wir wieder vielleicht mehr fühlen können, spüren können.
Allein das sind ja meistens so Widerstandsdynamiken, um das Lebendige nicht mehr so wirklich an sich ranzulassen. Das wären auf jeden Fall immer wieder auch Möglichkeiten, Patienten, Klienten, Mann, Mensch, an einem Punkt unterstützen, was an die Hand zu geben, wirklich auch wieder in Bewegung zu kommen. Ich meine, ich höre meinen Satz immer, wer sich nicht bewegt, bewegt nichts.
Und da ist was Wahres dran. Bewegung ist eine Grundwirklichkeit und sie ist Ausdruck einer Lebendigkeit. Das auf vielen Ebenen, also auf allen Ebenen.
Nicht nur auf der körperlichen, sondern auch auf der geistigen, spirituellen Ebene. Das sind natürlich alles Parameter, die greifen können. Und doch, würde ich mal sagen, der Mensch an sich, man weiß das auch, wenn man auf Krise schaut, viele Menschen sagen, ich bin in einer Krise.
Und dann ist immer die Frage, ganz viele wollen ja aus der Krise raus. Und ich würde mal sagen, nee, es geht nicht darum, aus der Krise in der Weise rauszukommen, sondern erst mal ganz tief in die Krise abzustreiten, um den Inhalt dieser Krise auch zu begreifen. Und dann entsteht da heraus, im Kontakt zur Krise und diesem Thema, eine förderliche, im besten Fall auch aufrichtende Bewegung, die wieder vielleicht mehr in diese Lebendigkeit führt, in das Mutmachen, in das Sinnstiften finden kann.
Und dann ist das ja so etwas wie, in der Dunkelheit entsteht auf einmal Licht. Meistens so ein ganz kleiner Punkt am Horizont, und das ist auch die Bewegung, der wir letztendlich folgend lernen dürfen. Und das braucht Einsatz.
Und das ist kein leichter Weg oder kein einfacher Weg. Es braucht viel Mut, es braucht wirklich sehr viel, ich mag das Wort ja, Selbstermächtigung wieder. Das, wozu wir den Kontakt verloren haben, dass wir Möglichkeit finden, im Umfeld, vielleicht auch mit therapeutischer Unterstützung, aber auch aus der eigenen Initiative heraus, diesen Weg zu gehen.
DanielWenn du jetzt diesen Podcast hörst und dich wiedererkennst, dann hör bitte nicht auf zu atmen, sondern sprich, ruf an, schreib und Axel bewegt dich. Nicht, weil alles sofort gut wird, sondern weil du es wert bist, dass es anders wird. Wenn du als Mann fühlst, dass etwas in dir sterben muss, damit du leben kannst, dann laden wir dich unter anderem ein, komm ins Männercamp, komm in die Arbeit mit uns beiden, nicht um gerettet zu werden, sondern um dich selbst zurückzuholen.
Weitere Infos findest du in den Shownotes. Axel, es war mir eine Freude, es war eine anspruchsvolle Folge für mich, tatsächlich. Ja, ich habe auch echt viel vorbereitende Arbeit geleistet.
Das ist ja ein wirklich sehr dichtes Thema, sage ich mal.
AxelJa, das kann man in der kurzen Zeit auch gar nicht so erfassen.
DanielIch bedanke mich für dein Sein, für dein Teilen, für deine Offenheit mit diesem Thema, auch aus deiner eigenen Arbeit heraus, aus deinem eigenen Selbst heraus. Ich freue mich auf die nächste Folge.
AxelIch danke dir auch für deinen Einsatz. Du machst ja immer auch die Vorbereitung. Ich falle ja immer so ein bisschen ins Wasser rein.
Ich bereite mich nicht mehr darauf vor, sondern versuche, diesen Moment irgendwie zu erfassen. Das macht mir viel Freude und danke auch dir dafür.
DanielDas Leben besteht aus Herausforderungen, hast du gesagt. Ja, das ist so.