03. Juni 2025
Viele Männer haben Karriere, Familie, Verpflichtungen – aber innerlich ist es still. Kein echtes Feuer, keine Freude, keine Lebendigkeit. In dieser Folge erfährst du, warum das kein persönliches Versagen ist – sondern ein gesellschaftliches Muster, das du durchbrechen kannst.
Darum geht’s in dieser Folge:
🔹 Warum so viele Männer emotional taub durchs Leben gehen
🔹 Wie Prägungen und Leistungsideale deine Lebendigkeit töten
🔹 Warum Funktionieren kein Reifezeichen ist – sondern ein Schutzmechanismus
🔹 Welche Rolle der Körper, Atem & andere Männer für deine Rückkehr ins Leben spielen
🔹 Wie Initiation im Alltag aussieht – und wo du sie findest
Wenn du dich nach echtem Leben sehnst, nicht nach Optimierung – bist du hier richtig.
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Keywords: Männerarbeit, Lebendigkeit, Initiation, emotionale Gesundheit, Männerheilung, Persönlichkeitsentwicklung, Selbstregulation, männliche Identität, innere Leere, Atemarbeit
Ja, hi, hallo Axel.
Axel:Hallo Daniel.
Daniel:Eine neue Podcast-Folge heute. Und zwar, viele Männer, mit denen ich spreche, sagen Sätze wie, ich habe eigentlich alles, aber irgendwas fehlt. Sie haben Familie, Job, aber offensichtlich ist da innerlich oft Stille. Keine echte Freude, kein Feuer, kein innerer Puls. Sie funktionieren, und das ist eigentlich alles, was sie tun. Und genau darüber wollen wir heute sprechen. Wie immer schauen wir uns das Ganze auf drei Ebenen an. Erstmal die gesellschaftliche Ebene. Wie prägt unsere Zeit dieses reine Funktionieren des Mannes? Auf der existenziellen Ebene, wie fühlt sich gelebtes Leben für einen Mann an? Und wie geht es in unserer heutigen Welt verloren? Und auf der archetypischen Ebene, warum gehört die Wiederverbindung mit der Lebendigkeit zu jedem echten Reifungsprozess? Ich habe natürlich wie immer meinen schlauen Mentor Axel dabei. Wir starten mal vielleicht an die Zuhörer mit einer Einstiegsfrage. Lieber Zuhörer, wie oft am Tag tust du Dinge, weil du diese Dinge tun musst und nicht weil du sie erledigen willst? Und wie lange ist es her, dass du dich lebendig gefühlt hast? Und zwar wirklich, wirklich lebendig, aus tiefstem Herzen. Axel, was macht es denn mit einem Mann, wenn er jahrelang nur funktioniert, aber innerlich nichts mehr fühlt? Und warum fühlen viele Männer das erst, wenn sie schon völlig leer und ausgebrannt sind?
Axel:Spannende Frage, Daniel. Ja, also wenn man jetzt mal wirklich so auf diese frühe, regende Zeit schaut, und ich glaube, da liegen ja viele Grundthemen, wie wir lernen oder lernen mussten, irgendwie durchs Leben zu kommen. Ich bin ja so ein Wortfreak und würde immer sagen, allein das Wort Erziehung, was wir ja so alle genossen haben, wer in uns glaubt oder meint oder auch gesellschaftlich, wir müssen Wesen erziehen, alleine das dient schon dazu, dass der Kern oder das Wesen an sich mehr und mehr in einem Menschen verloren geht, also der Kontakt dazu. Und daraus entstehen natürlich dann irgendwie Erfahrungsräume, die dann dem Heranwachsenden natürlich deutlich machen, wenn du so bist, dann das, oder sei so und sei nicht so. Das heißt, da werden grundlegende Haltungen, Einstellungen entwickelt und übernommen, die uns selbst mit der Wirklichkeit des eigenen Lebendigseins mehr und mehr trennen. Das heißt, wir verlieren mehr und mehr den Kontakt zu dem, was wir in der Tiefe wirklich sind. Und für mich, ich habe ja immer so ein paar Sätze, die finde ich immer ganz gut, und das dient ja nach wie vor letztendlich jedem Menschen, dass wir wieder lernen dürfen, aus dem, was wir über Lebensformen, über Lebensstrukturen gelernt haben oder lernen mussten, herauszutreten und wieder in das Erleben zurückzukommen von hier und jetzt. Und das ist jetzt so schnell gesagt. Gleichzeitig weiß ich, dass das natürlich auch ein Prozess ist, der notwendig ist, wenn wir wirklich wieder darum ringen, wer bin ich in meiner Lebendigkeit? Wer bin ich in meiner Freude? Wer bin ich in meiner Lebenslust? Wer bin ich und wie kriege ich wieder Kontakt zu dem, was wir Kraft nennen können? Und es gibt für mich so eine Grundausrichtung, also wenn wir, und das tun ja glaube ich 95 Prozent unserer Gesellschaft, wir leben zutiefst aus der Struktur heraus. Also das, was wir übernommen haben und meinen, so komme ich gut durch das Leben und gut durch die Welt. Und das wieder, ich sage mal so, in eine Form zu gießen, die viel mehr mit der Gegenwärtigkeit zu tun hat, zu sagen, Moment mal, ich muss das ja nicht tun. Ich habe ja die Freiheit, etwas anderes in meinem Leben entstehen zu lassen. Und dann geht die Reise in gewisser Weise auch wieder los. Also wo bin ich da? Wie bin ich da? Was ist meins? Was ist das Ursprüngliche? Ja, so in etwa. Und Struktur gibt ja vielen Menschen in gewisser Weise auch Halt und Orientierung und vielleicht auch Sinnhaftigkeit. Und auf der anderen Seite engt uns die Struktur aber wieder ein. Und da, ich sage mal so, die gute Balance zu finden zwischen einer guten Struktur, die mich unterstützt im Leben, und herauszugehen aus einer Struktur, die mir nicht mehr dient, das ist die Reise. Und das zu erkennen, also mit welcher Struktur bin ich überhaupt in der Welt, wie verhalte ich mich, wie denke ich, wie handle ich. Ist das wirklich wahr oder ist das mehr so aus der Konditionierung oder aus der Struktur entstanden?
Daniel:Du hast gerade ein wertvolles Wort verwendet, nämlich Konditionierung. Die meisten Männer sind ja in unserer heutigen Gesellschaft fast schon reduziert auf Leistung und auf Verantwortungsübernahme und irgendeine Form von ungesunder Disziplin, würde ich es jetzt YouGov-Männerstudie von 2023 haben 76 Prozent der Männer in Deutschland angegeben, dass sie ihren Alltag als getaktet und funktional beschreiben. Und das ist schon eine große Hausnummer, ne? 86 Prozent. 76 Prozent.
Axel:76.
Daniel:Und daraus folgen natürlich psychosomatische Beschwerden, Erschöpfung, sexuelle Lustlosigkeit. Das ist ja oft die Folge von diesem chronischen Funktionsmodus, den wir erleben. Jetzt hattest du in deinem Leben bestimmt auch schon Kontakte mit, oder? Wie war das bei dir? Hast du selbst auch mal in diesem Hamsterrad gesteckt?
Axel:Ja, klar. Ich meine, ich habe ja auch Erziehung genossen oder bin ja auch in Kontexte reingeboren, wo diese Grundwerte in gewisser Weise ja vermittelt worden sind. Du hast ja gesagt, wir sind ja eine Leistungsgesellschaft. Also Leistung ist das oberste Gut, der oberste Wert, den es irgendwie zu erfüllen gibt. Ich sage ja manchmal so, nimm mal einem Mann die Arbeit und schau mal, was vom Mann übrig bleibt. Also wie wir Männer natürlich gelernt haben, und das hätte ja auch sicherlich eine lange Jahrhunderte alte Tradition, dass der Mann sich über den Beruf, über das, was er tut, das, was er macht, definiert hat und eine gewisse Sinnhaftigkeit in sich gefühlt hat. Und da ist grundsätzlich auch nichts Verkehrtes. Nur wenn man jetzt mal guckt, vor 100 Jahren, wie ist es jetzt? Also mit welcher rasanten Geschwindigkeit alles sich vervielfacht hat. Und da wirklich kaum noch eine Lücke entsteht, bei sich selber anzukommen. Ich würde sagen, es boomen ja viele, die sagen Auszeit, Rückzug, wo sozusagen Zeit auf einmal ein Faktor wird, den es gilt sich zu kaufen. Dann denkst du, das ist doch crazy, das ist doch verrückt.
Daniel:Es ist auch spannend, du hast gerade die Zeit angesprochen, dass es vor der Industrialisierung Berufe gab, in denen die Männer sich ja auch auf irgendeine Art und Weise irgendeinen Wert für andere auch gespürt haben. Das heißt, die Tätigkeit als Handwerker, als Schneider, was auch immer, die hatte ja einen spürbaren Wert für die Gesellschaft, für die Gemeinschaft, für das große Ganze. Heute haben wir Berufe wie Callcenter-Agent, wo jeder, ich glaube, jeder, der da drin sitzt, spürt, dass Telefonate führen über Produkte, die scheiße sind, die niemand braucht, wo sich Leute darüber beschweren, dass das einfach kein sinnstiftender Beruf ist, keine sinnstiftende Tätigkeit, nicht so was eine Berufung erfüllt oder auch nur nahe daran kommt, dass man sein Leben mit irgendwas Sinnvollem füllt. Das ist natürlich auch eine spannende Entwicklung, die wir da erleben, dass es immer mehr Bullshitjobs gibt. Das ist ja der Fachbegriff dafür, Bullshitjobs. Allein in der Finanzbranche sitzen irgendwie 26 Millionen Bullshitjobs oder so. Das ist schon bedeutsam. Aber lass uns doch mal zum existenziellen Teil kommen. Du hast es ja gerade schon ein bisschen angeschnitten. Lieber Zuhörer, ich erlebe oft, dass Männer körperlich anwesend sind, aber innerlich nicht mehr da. Sie schauen ins Leere, lachen nicht mehr aus dem Bauch heraus. Ich kenne sogar Männer, die schlafen mit offenen Augen. Die Lebendigkeit ist aber nicht verschwunden, sie ist nur verschüttet. Axel, du hast gerade schon ein paar Impulse dazu genannt. Wie verliert denn ein Mann seine Lebendigkeit? Womit hört er auf, wodurch er immer mehr den Kontakt dazu verliert? Was sind die Momente, in denen das Leben langsam aus ihm weicht, ohne dass er es merkt? Woran könnte er erkennen, dass die Lebensfreude zurückkehrt?
Axel:Ja, indem er vielleicht erst mal bemerkt, dass er nicht mehr in Freude ist. Und sich dann auf die Suche danach macht, wer oder wo ist meine Freude? In vielen Fällen ist das so ein schleichender Prozess. Ich glaube sehr, wenn man weit zurückschaut, auch in kindliche Formen, wie Kinder noch in einer ganz natürlichen Weise, wenn es einigermaßen gut gelaufen ist, mit Freude noch verbunden sind. Also wie sich Freude in ihrem Tun in einer ganz natürlichen Weise einen Ausdruck findet. Und die denken nicht viel darüber nach, sondern die leben das. Die sind das irgendwie noch. Und dann kommen natürlich Faktoren, die sozusagen alleine in der Schule an einem Tisch sitzen zu müssen, sich nicht mehr zu bewegen. Die ganze Freude an Bewegungsimpulse, die ganze Freude an Neugier. Ich mag den Hüther, der sagt das auch. Was wir mit den Kindern veranstalten, das ist ja eine Apokalypse. Das hat mit der Wirklichkeit des wirklichen Lebens nicht mehr viel zu tun. Wir erzielen die Kinder wirklich zu funktionalen Wesen, die in das System reinpassen sollen. Und so entdecke ich das auch. Und ich glaube, das wieder so für sich zu entdecken, und ich glaube, es gibt manchmal so initiatische Momente, wo man auf einmal vielleicht durch äußere Ereignisse, ob es jetzt auch Krankheiten sind oder auch Unfälle sind oder auch tiefe Erkenntnisse sind, die wir gewinnen, dass etwas in meinem Leben nicht mehr für mich stimmt. Und den Mut zu haben, sich diesem zu stellen, zu sagen, was stimmt für mich nicht mehr, was mache ich hier eigentlich? Du hast ja gesagt, wir sagen ja, wir sind mehr so funktionale Wesen geworden statt lebendige, freie, selbstbestimmte. Alles ist in gewisser Weise am Jammern, wie schlimm alles ist, aber irgendetwas in uns macht es ja weiter mit. Und den Mut zu haben, herauszutreten, sich natürlich auch auf den eigenen Weg zu begeben, auch auf dem inneren eigenen Ruf näher zu kommen, der da heißt, eine Sinnhaftigkeit, was will ich, wo geht es hin, und was ist meine Bestimmung? Das sind ja so Fragen, die meiner Meinung nach das Leben immer wieder an uns heranträgt. Die Frage ist, ob wir die Frage hören, ob wir sie verstehen und ob wir den Mut haben, uns dieser Frage auch zu stellen und denen zu folgen. Und insofern glaube ich schon, dass relativ früh sozusagen die Lebensfreude und die Freude am Dasein, die Freude am Gestalten, in vielen Fällen auf einmal der Funktionalität, ja, man stirbt dafür.
Daniel:Ja, ich kenne das aus meinem Leben, das, was du so beschrieben hast gerade. Ich kann mich noch daran erinnern, bevor ich in mein Berufsleben eingestiegen bin, Zivildienst noch so, direkt nach der Ausbildung und alles, da war ich jeden Abend tanzen, jeden Abend. Und ich habe unfassbare Lust daran empfunden, Frauen zum Beispiel beim Tanzen zuzuschauen. Das war mein größtes Glück. Jeden Abend, wir waren im Flower Power, das war so ein Peace, Love & Rock'n'Roll-Laden, da lief immer handgemachte Musik und die Frauen waren auch ein bisschen natürlicher als so diese typischen Disco-Klischees, sage ich mal. Ich habe das wirklich genossen, mich dann auch selbst auf die Tanzfläche zu stellen, jeden Abend Bier trinken, tanzen, das war toll. Dann bin ich irgendwann in dieses Start-up-Leben eingekehrt und dann ging das los mit diesen Hinterzimmern, wie man das so kennt aus Filmen, 16 Stunden am Tag am Rechner sitzen und irgendwelche tollen Ideen austüfteln. Und dann ging das immer mehr verloren und verloren und verloren und irgendwann war dann nur noch dieses, das Business muss laufen. 24 Stunden am Tag erreichbar, keine Pause mehr, Spaß ist immer mehr hinten runtergefallen und damit auch die Spontanität, die Lust, der Genuss und die Bewegung, auch ein Riesenwort, unsere Körper sind dazu gemacht, dass wir sie bewegen und wir verlernen das immer mehr. Ich habe hier noch eine lustige Studie von der DGPPN, Männer und psychische Gesundheit. Diese Studie zeigt, dass Männer in emotional isolierten Rollenmodellen viel häufiger unter Depressionen und Suchtverhalten leiden. Und ich beschäftige mich ja in meiner Arbeit sehr stark mit Suchtverhalten, zum Beispiel Pornografie und Junkfood oder Videospiele. Das tötet das innere Feuer. Und dann kommen wir mal zum archätypischen Teil. Wieder eine Frage an dich, lieber Zuhörer. Du trägst auch ein inneres Feuer in dir, aber vermutlich lebst du es nicht mehr. Und manchmal braucht es andere Männer, einen Kreis oder ein Ritual, damit dieses Feuer wieder entfacht werden kann. Axel, welche archätypische Kraft hilft Männern, ihre Lebendigkeit wiederzufinden? Und warum reicht bloßes Reden und Intellektualisieren nicht aus? Warum braucht es eben die Bewegung, den Körper, vielleicht auch Schweiß und die Erdung?
Axel:Erstmal sind wir das ja. Das Einzige, was ja passiert ist, ist, wir sind sozusagen auch vom Körper losgelöst, entkoppelt, nicht mehr verbunden. In vielen Fällen haben wir wenig Zugang oder viele Männer wenig Zugang zu diesen emotionalen Qualitäten, die uns ja eingeboren sind. Die Frage ist ja, wie habe ich da noch Kontakt zu? Und ich sage immer so ein bisschen lapidar, aber ich glaube, dem komme ich immer so näher und vielleicht stimmt das auch. Die größte Volkskrankheit, die wir haben, ist die Normopathie. Wir sind alle angepasst erzogen worden. Also angepasst an etwas, was vielleicht gar nicht unseres ist. In vielen Fällen wahrscheinlich unseres nicht ist. Und jetzt bin ich ja selber immer ein Mann gewesen, der sich auch über den Körper definiert hat. Früher ganz viel über Sport und dann habe ich so etwas entdeckt wie Körpertherapie und das war für mich eine Offenbarung, wo ich so entdeckt habe, was alles im Körper sozusagen irgendwie auch vorhanden ist, wenn man sich dem wieder öffnet. Und wenn man auch diese Schichten, in vielen Fällen manchmal auch Schmerz und Trauer und all diese Erfahrungsräume oder Erfahrungswirklichkeiten freigeben. Ich persönlich würde sagen, der Körper hat so etwas wie ein zelluläres Gedächtnis. Also alles, was wir erlebt haben, von Anbeginn an bis hier und jetzt, in deiner IT-Sprache, ist wie auf einer Festplatte abgelegt. Das heißt, wir können diese Erfahrung wieder lebendig werden lassen. Und das ist ja manchmal nicht unbedingt nur angenehm, dass wir uns, wenn wir uns auf den Weg zu uns selber machen und vielleicht wieder auch zu dem Prozess oder in den Prozess eintauchen, wieder tiefer mit unserer Lebensfreude, mit unserer Lebenslust in Verbindung zu kommen, dann begegnen wir natürlich auch auf dem Weg innerkörperlich auch dem Schmerz, der Wunde, der Trauer, der Verzweiflung, der Ohnmacht. Und das ist natürlich nicht unbedingt einladend. Also freiwillig, glaube ich, gehen manche nicht dahin. Also braucht es so etwas wie ein Feld, und jetzt sind wir ja vielleicht auch beim Männercamp oder bei Männerkreisen, wo diese Prozesse kollektiv angeboten werden, wo sozusagen jeder einzelne Mann auf einmal in sich vielleicht wieder belebt wird, erkennt, was wirklich in ihm ist, wie viel Lust er zurückgenommen hat, wie viel Freude er zurückgenommen hat, wie viel Kraft er zurückgenommen hat, aus welchen Gründen auch mal immer. Aber natürlich spielt das eine Rolle, wie wir auch oder vielleicht darauf hinerzogen worden sind, sei nicht so lebendig, hör das Zappeln auf, halt den Mund, so, beweg dich nicht. Also all diese frühen Kontexte wirken immer noch in uns. Und etwas in uns ist in vielen Fällen auch vielleicht noch immer da überzeugt, wir müssen so sein oder wir sollen so sein. Und so einen Prozess der Initiation könnte man jetzt mal auch in diesen Begriff reinnehmen, der dich rückbindet an das, was du zutiefst bist. Und es gibt für mich so zwei Grundformen, das ist einmal die Freude am Leben und die Lust am Leben. Freude und Lust sind Grundformen, mit denen wir hier antreten. Und man weiß aus vielen Untersuchungen oder wissenschaftlichen Untersuchungen, wie schnell der Kontakt zu dieser Freude und Lust ganz am Anfang verloren geht. Wir haben ja mal darüber gesprochen, Initiation, die erste große Initiation ist die Geburt, was während der Geburt schon passiert ist häufig sehr, sehr prägend. Dass etwas gar nicht mehr in Freude hier ankommt, sondern schon irgendwie aus Stress und sehr viel, wie sagt man, Aufregung und vieles, was sozusagen den Kontakt zu dieser Rückbindung nicht mehr freigibt. Man muss schon anfangen zu überleben. Und all diese Strukturen haben die Folge, dass wir den Kontakt zu uns selbst mehr und mehr verlieren. Wenn man sich jetzt vorstellt, über viele, viele Jahre, Jahrzehnte, dass dieser Raum nicht mehr aufgeht. Und ich glaube, viele Menschen spüren das, dass sie mehr sind als das, was sie leben. Wir haben es ein paar Mal so erlebt, auch im Männercamp, wenn die Männer auf einmal wieder den Körper entdecken. Wir arbeiten ja viel mit dem Körper. Was auf einmal für eine Wucht an Freude, Lust und Kraft fühlbar wird. Ich denke ja gerne so energetisch. Also alles das, was uns hier eingeboren ist, auch an all diesen Emotionen, all diesen Wirklichkeiten, wenn ich zum Beispiel meine Lust unterdrücke, wenn ich meine Freude unterdrücke, brauche ich dafür Energie. Das heißt, ich muss etwas nehmen, um das dagegenzusetzen. Das heißt, ich habe immer ein hohes Level, wo ich Energie dafür nutze, um nicht lebendig zu sein. Für mich ist es immer auch einer der schönsten Momente, wenn bei dem einen oder anderen Mann auf einmal dieser Raum wieder aufgeht und da ein tiefes, tiefes Lachen, eine tiefe, tiefe Freude zum Vorschein kommt. Vielleicht auch ein tiefes, tiefes Weinen, was sozusagen dann diese Ebene davor ist zur Freude. Das ist für mich schon immer sehr beeindruckend. Insofern glaube ich, und das wussten ja schon immer viele Kulturen, Rhythmus, Bewegung und Atmung lässt uns lebendig sein.
Daniel:Ja, in vielen Kulturen war das so. Da war die Rückverbindung mit der eigenen Lebenskraft unter anderem, das ganz bedeutsame Tanzen. Tanzen bis zur Trance, bis zur Ekstase. Der Höhepunkt der Bewegung. Es ist wirklich schade, dass in unserer Kultur solche Rituale nicht mehr übrig geblieben sind, nicht überliefert wurden. Und dass da irgendwie außer hier und da Volksfesten, die irgendwo stattfinden, nichts mehr da ist.
Axel:Ja, stimmt, nicht so ganz. Es hat sich so ein bisschen pervertiert, ich nenne es jetzt mal so pervertiert. Es gibt die ganzen Clubs, die natürlich diese Techno-Geschichte, im Grunde genommen wird sowas ähnliches irgendwie initiiert. Aber es setzt nicht diese innere Wirklichkeit frei. Das heißt, ich brauche wieder diesen Teil, dieses Feld. Und das, glaube ich, ist nicht wirklich förderlich. Aber es ist eine Sehnsucht danach. Deswegen profitieren wir davon, dass so Menschen zusammenkommen und sich auf dieser Ebene auch bewegen. In vielen Fällen ist ja da vielleicht auch Drogen mit im Gebrauch.
Daniel:Atem ist ja auch eine Droge, Axel.
Axel:Ja, das finde ich, das ist ja für mich die natürlichste Droge, die wir haben, ist der Atem. Und das ist super. Wenn wir uns da wieder drauf besinnen lernen und auch die Kraft und die Tiefe des Atems, also des freien Atems, wieder in uns entwickeln, brauchen wir keine Drogen mehr. Weil alles andere in vielen Fällen macht ja abhängig, der Atem selbst nicht.
Daniel:Jetzt hast du gerade einen wichtigen Punkt angesprochen, diese Drogen. Lieber Zuhörer, was wäre denn, wenn du nicht nur funktionieren müsstest, sondern dein Leben sich wieder nach etwas anfühlen dürfte? Und was wäre, wenn deine Lebendigkeit nicht verloren ist, sondern nur schläft? Wir wissen ja, dass, Axel hat es gerade auch gesagt, ohne Zugang zu Emotionen gibt es keinen Zugang zur Lebensenergie. Weil wir diese Lebensenergie aufwenden, um unsere Emotionen zu unterdrücken. Das ist natürlich ein Problem, das viele Männer bei uns in der Gesellschaft haben. Weil viele Männer auch das vermeiden, was sie eigentlich befreien würde. Nämlich ihren inneren Schmerz, ihre Wut, ihre Scham, ihren freien, authentischen Selbstausdruck. Jetzt gibt es Studien, die zeigen, dass Männer die körperorientierte Gruppenformate erleben. Zum Beispiel leben Männercamps oder Retreats oder die sich mit Atemarbeit beschäftigen. Von tieferer Lebensfreude, mehr Klarheit und Vitalität berichten. Die Quelle ist Gunter Schmidt, Männer in Therapie von 2018. Ach, der Gunter. Lieber Axel, was braucht ein Mann, um wieder in Kontakt mit dieser Lebendigkeit zu kommen? Und warum ist es fast unmöglich, das alleine zu schaffen?
Axel:Ja, also fast unmöglich alleine, stimmt ja so auch nicht. Also wenn ich natürlich dann Zugang für mich selber finde und in gewisser Weise auch die Form einer täglichen Praxis übe, dann kann ich das für mich natürlich auch vertiefen und erforschen. Es ist natürlich durchaus förderlich, wenn man in so einem Feld ist, was einen mitträgt. Und insofern, was braucht es? Es braucht ein Feld. Ich sage immer, es braucht ein Feld, wo diese Räume wieder betreten werden können, wo man Kontakt dazu kriegt. Der Graf Friedmann von Dürkheim, der hat ja mal gesagt, wenn es wirklich um Entwicklung geht, wenn wir uns wirklich wieder entwickeln, heißt das nicht, irgendwo hin, sondern im besten Falle zu uns hin. Also wieder tiefer mit uns selber in Kontakt kommen wollen, kommen wir an dem Körper nicht vorbei. Wir können es nicht nur im Kopf entwickeln, wir können es auch nicht nur denken. Ich glaube, eine der größten Herausforderungen für viele Männer ist eben halt das Fühlen wiederzulernen. Es gibt ja eigentlich kein Wesen, was nicht fühlt. Und doch sagen ganz viele, ich fühle nichts. Also wie entkoppelt manche Menschen von diesem emotionalen Raum sind, das nicht abrufen können, also nicht in Verbindung damit sind. Und dann fühlt sich das so, du hast vorhin mal so, ich habe ja mal einen Klienten gehabt, der kam hier an, hatte gerade seinen 50. Geburtstag, erfolgreicher Architekt. Und dann kam der hier an und sagte, Herr Schmidt, ich habe jetzt vor kurzem meinen 50. Geburtstag gefeiert. Ich stand auf dem Balkon, gucke runter, Gäste waren da, schönes Wetter, meine Familie. Ich habe so gemerkt, beruflich geht es mir super, finanziell, wirtschaftlich, alles super. Und in dem Augenblick, wie ich so runterschaute, kriegte ich ein tiefes Erleben, wie dumm und fad mein Leben ist. Da hat er so für sich erkannt, dass er eigentlich im tieferen Sinne nicht sein Leben lebt. War zwar sehr erfolgreich, aber auf einmal so zu entdecken, ich folge nicht mir und meinem Herzen. Ich habe eine Form oder eine Struktur gelebt, die früher vielleicht von mir erwartet wurde. Es war auch so, der Vater wäre mir gerne Architekt geworden, hat es für den Vater gemacht. Aber es war nicht sein eigenes. Solche Prozesse, die was hervorbringen, was ist eigentlich mein Ureigenes? Was will ich eigentlich? Jenseits von Form und von Struktur. Und das ist natürlich schon super. Wenn ich da so ankomme bei mir und den Mut habe, bei diesen Fragen nachzugehen, dann sind das schon gute Schritte. Wenn ich so ein Feld habe, wo Menschen in der Weise auch Interesse haben, sich in der Entwicklung öffnen lernen wollen, sich wieder verbinden wollen mit sich selber, sind so Felder natürlich gut. Und ich glaube auch, dass es mit sich selber geht. Es war auch eine Form von Disziplin, dranbleiben. Ich würde auch sagen, wir haben so etwas wie eine Struktur, die wir 10, 20, 30, 40, 50 Jahre gelebt haben, und die natürlich auch ihre Bedeutsamkeit gehabt hat oder immer noch hat. Man kann das Spannungsfeld so setzen. Also das, was uns damals gerettet hat, nämlich die Form und die Struktur, ist heute unser Gefängnis. Wir kommen nicht mehr so einfach aus dieser Konditionierung der Struktur raus. Ja, und dann geht der Weg los.
Daniel:Ich habe noch eine andere Idee, wieso diese Felder, wie du sie nennst, mehr dazu beitragen, an diese Themen heranzukommen, viel mehr spüren können, dass wir in dem Ausdruck, was da gerade kommt, sicher sind, gehalten sind, richtig so sind, dass wir mit dieser Freude, mit diesem Schmerz, mit der Wut, der Trauer, Ohnmacht, was da alles auftaucht, in einer Gruppe einfach mehr lernen, dass es okay ist und dass wir trotzdem in der Gruppe akzeptiert werden, also im Stamm, im Rudel, was da so entwicklungsgeschichtlich mitschwingen. Das ist so eine These, die ich gerne mittrage, weil das auch mein Erleben ist, dass, auch wenn ich über alles zum Beispiel mit meiner Frau sprechen kann, manche Dinge nur in einer Gruppe diese heilende Wirkung entfalten, also diese wirklich tiefe Bestätigung von es ist nicht nur vor dir okay oder vor einem Therapeuten oder so, weil er dafür bezahlt wird oder weil du meine Partnerin bist, sondern es ist auch wirklich in einer Gruppe von Menschen, die ich kaum kenne, okay so zu sein, wie ich bin. Das ist, glaube ich, eine ganz starke, wertvolle Nachricht.
Axel:Ja, auf jeden Fall. Also ich finde ja auch, das sind ja so Phänomene, ich mache jetzt so viele Jahre so Kreise und immer wieder so erstaunt, wie schnell Männer auf einmal so entdecken, sie sind nicht die Einzigen, die diese Themen haben. Also wie tief das immer noch so zellulär abgelegt ist, nur ich habe das Thema. Und ich finde, sobald ja ein Mann aufmacht in so einem Feld, lädt er sozusagen alle anderen ja auch ein, sichtbar zu werden und spürbar und vielleicht auch fühlbar zu werden mit seinen Themen. Und ich glaube, das ist so eine, in vielen Fällen wie so eine Offenbarung, dass Männer auf einmal sehen, andere Männer machen diesen Raum auf, die zeigen sich. Und viele kennen das nicht. Also viele kennen das einfach nicht. Auch wenn man zwar Freunde hat, aber wie weit spricht man wirklich mit Freunden über die Dinge, mit denen ich vielleicht noch mit niemandem gesprochen habe. Und das sind natürlich schon Bereiche, die zumindest auch in solchen Feldern sehr, sehr, sehr heilsam sind. Und das braucht Mut. Und dann würde ich sagen, diese Felder gestalten ja auch so einen Raum, wo man sicher ist oder auch aufgefangen wird. Aber es schafft auch einen Raum, wo Vertrauen entsteht. Man merkt, das sind jetzt Männer, denen kann ich vertrauen. Und es ist ein Feld, dem kann ich vertrauen. Und dann entsteht sicherlich auch die Bereitschaft und auch der Mut, sich zu zeigen.
Daniel:Lass uns doch mal noch eine Perspektive setzen. Lieber Zuhörer, zum Beispiel dem Männercamp, das Axel anbietet, geht es nicht um Selbstoptimierung, sondern es geht darum, wieder das Fühlen zu lernen, zu lachen, zu schreien, zu schwitzen, zu tanzen. Es geht darum, lebendig zu werden und eben nicht nur über das Leben zu sprechen, sondern das Leben zu spüren. Axel, warum ist die Lebendigkeit eines Mannes kein Zufall, sondern ein Ruf?
Axel:Ja, ich tue mich jetzt ein bisschen schwer, dass es scheinbar nur bei dem Mann so ist. Das ist bei der Frau ja genauso. Also alles Lebendige sozusagen ist so grundgelegt auch in Freude und Lust, ob jetzt Männer oder Frauen oder auch Tiere. Alle erleben gibt es der Weise diese Lust am Leben, am Dasein. Das ist so eine große Kraft in uns. Und klar braucht es die Bereitschaft, da wo wir uns verloren haben, wo wir nicht mehr wissen, wo wir vielleicht keinen Sinn mehr in uns entdecken, den Mut zu haben, diesem inneren Ruf nach Freude und Lust wieder zu folgen. Und das ist schon eine Herausforderung. Also man nennt das auch im tieferen Sinne auch eine Form von Initiation, dass wir lernen uns bestimmte innere Wirklichkeiten. Man sagt ja nicht so, ich werde die Freude nicht draußen finden oder ich werde die Lust ja nicht draußen finden. Das ist ja leider Gottes dann doch sehr viel in unserer Gesellschaft so verbreitet. Wenn ich das mache dann oder wenn ich das kaufe, dann freue ich mich darüber. Das mag ja punktuell wirklich stimmen. Nur wir sprechen ja von einer essentiellen Wirklichkeit von Freude und Lust, also etwas, was uns zutiefst als Wesen eingeboren ist. Und da wieder Kontakt zu kriegen, das ist die Challenge. Und ich sage mal, der ist ja nicht weg, der Kontakt. Ist ja nicht weg, die Freude und die Lust. Das, was passiert ist, wir haben Kontakt zu uns verloren. Ja, und insofern würde ich sagen, klar, Lebendigkeit ist eins der reichsten Aufbauungen von Ausdruck unseres Menschseins. Lebendig sein, voller Freude sein, voller Lebenslust zu sein. Also da geht für mich so die Reise hin, dass wir diese Seinsqualität wieder in uns entdecken, dass uns nichts fehlt, dass wir immer nur meinen, ich habe das nicht, ich fühle das nicht, ich bin das nicht. Wer sagt das? Und sich da so auf die Spur zu kommen oder da wieder Kontakt zu sich zu finden. Oder dem inneren Ruf, ich spreche immer von dem inneren Ruf, dem wieder zu folgen, dem Ausdruck zu geben.
Daniel:Ja, so. Ich würde noch einen Punkt ergänzen, weil du gesagt hast, wir finden die Lebensfreude und die Lust nicht draußen. Ich würde einen draußen ergänzen, wo tatsächlich Freude und Lebenslust auftaucht, nämlich die Natur. Wenn wir uns wieder in ein Umfeld begeben, aus dem wir stammen prinzipiell. Und in das wir uns wenden können, wenn es uns eben zur Innenschau zieht.
Axel:Wenn wir auch diesen Ruf spüren. Auf jeden Fall, also das ist ja auch was Äußeres, aber wir sehen es ja auch als Ausdruck der Natur. Also wir sind auch nicht getrennt von der Natur. Also auch das werden wir in uns entdecken können, Teil vom Ganzen zu sein und nicht sich getrennt zu fühlen. Und natürlich ist es schön, solche Räume zu betreten oder Felder wie die Natur, weil sie uns erinnert, so an das, was wir in der Tiefe so sind. Ja, gerne, Natur ist große Quelle, große Quelle der Rückbindung.
Daniel:Ja, Axel, was gibt es denn für Möglichkeiten, um seine Lebensfreude wieder zu entfachen? Was steht vielleicht kürzlich an oder demnächst?
Axel:Ja, wir machen tatsächlich schon wieder ein Männercamp, wo wir Männer natürlich einladen, genau in diese Prozesse reinzugehen, herauszufinden, sich zu erkennen, sich zu vertiefen, sich auch zu erforschen, auch im Kreis von Männern. Natürlich ein wunderbarer Raum von Wachstum, auch ein Raum, wo Heilung geschieht, wo Erkennen geschieht, wo vielleicht Klarheit geschieht. Also das sind schon sehr, sehr, sehr gute und unterstützende Felder, wenn es um Entwicklung geht. Das kann man gut empfehlen, also ich kann das gut empfehlen.
Daniel:Ja, lieber Mann, wenn du das jetzt hörst und das Gefühl hast, dass du funktionierst, aber nicht mehr lebst, dann ist es Zeit, das zu ändern. Und ein guter erster Schritt wäre sieben Tage, sieben Nächte in der Wildnis, draußen im Männercamp im Juni im Naturpark Eifel. Alle weiteren Informationen dazu findest du in der Beschreibung der Folge. Und damit wünschen wir dir auf deinem Weg alles Gute. Axel, hast du den Zuschauern noch was mitzugeben?
Axel:Ja, ich würde mich freuen, auch ganz persönlich Männern zu begegnen, die bereit sind, diesen Weg zu gehen. Ja, und natürlich, wie immer der Weg geht, gute Reise.
Daniel:Ja, ich freue mich natürlich auch. Ich werde auch da sein zum dritten Mal dieses Jahr. Ja, sehr schön. Ich bedanke mich, wie immer, für diese nährreiche Unterhaltung.
Axel:Ja, gerne.
Daniel:Ich freue mich auf die nächste Folge.
Axel:So, das ist geschehen. Danke für dein Beschein. Danke dir, Daniel. Und bis zum nächsten Mal. Also, bis zum nächsten Mal.